ex mare

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wiesner

Mitglied
ex mare


den wiegenden Punkt dort nennt man Boot

als habe das Meer ein schlechtes Gewissen
tragen seine Wellen den Knaben heraus
an den still und friedlich umspülten Strand
wo er da er tot ist nun nicht mehr sein will

und wollte er zurück zu staubigen Feldern
seiner Eltern schreiendem Knochenvieh
kreuzten die Todeswellen wieder herbei
ihn zu retten gegen das Gewissen anderer

der Menschendom auf und ab war ein Boot
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

Mitglied
kreuzten die Todeswellen wieder herbei
ihn zu retten gegen das Gewissen anderer
Ein Gedicht, das mich zutiefst trifft und berührt, lieber Béla!

Wenn das Boot der letzte und einzige Ort ist, an dem man vielleicht noch sein kann und will....und Destination wie auch Aufbruchsort keine Optionen sind.
Das Bild vom Knaben am Strand, der von den Wellen gewiegt wird, hattest du unlängst schon einmal in einem Text...auch da hat es mich tief berührt als Bild und Thema. "sich in Sicherheit wiegen" wird da als Redewendung gleich nochmal tiefer.

Ich hätte hier

der Menschendom auf und ab war ein Boot
so geschrieben

der Menschendom im Auf und Ab....

...aber das ist Geschmackssache. Es ist auch so er-lesbar. Und ein nicht weniger starkes Bild.

Sehr gerne gelesen!
Claudia
 

wiesner

Mitglied
Danke, liebe Claudia, für Deinen Besuch.

Die Tragödien unserer Zeit scheinen hier kaum zu interessieren, eher assoziationsreduzierte Surrealismen - als Puderquaste fürs ach so gebeutelte poetische Gemüt. Mich jedenfalls berührt das Schicksal dieses Kindes immer noch ... daher ein zweites Mal schreiberisch thematisiert. Zuerst (Du hast völlig recht) hier
https://www.leselupe.de/beitrag/fotojury-159393/ - ist inzwischen im sechsten Kellergeschoss gelandet, nach so kurzer Zeit ...

Mir gefällt die Kleinschreibung 'auf und ab' doch besser, passt gefälliger zum obigen 'wiegenden'.

Schön, wie Du wieder einmal kommentartorisch auf Texte eingehst. Immer ein Genuss!

Gruß
Béla
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Béla,

ich persönlich glaube nicht, dass hier mangelndes Interesse vorliegt. Jedem Menschen, der nur noch einen Rest an Empathie in sich trägt, hat dieses Kind das Herz aus dem Leib gerissen und er wird es nie vergessen.
Aber wie immer blenden die meisten Zeitgenossen diese Bilder aus, du aber hast ein würdiges Gedicht gegen das Verdrängen und Vergessen geschrieben.

Danke dafür und liebe Grüße
Manfred
 

wiesner

Mitglied
Ich hoffe, lieber Manfred, du hast recht ... Möglicherweise habe ich auch mit der anti-surrealitischen Piekerei leicht übertrieben. Das Wachbleiben fürs Drumherum ist mir wichtig!

Danke für Deinen Besuch!

Gruß
Béla
 



 
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