Zivilisation

Bo-ehd

Mitglied
Mit welchem Triumphgeschrei und welchen Lobeshymnen über jede einzelne Errungenschaft machen wir uns Jahr für Jahr – und das seit Jahrhunderten - bewusst, dass wir mit der Zivilisation etwas ausschließlich Großes geleistet haben. Wir wollen dabei nicht sehen, was sie in Wirklichkeit angerichtet hat: Sie hat die Einfachheit und den Frieden des Lebens zerstört und die Lebensfreude, Beschaulichkeit und die Harmonie des Miteinanders zugrunde gerichtet. Als Ersatz dafür erliegen wir der Geldgier, Vermassung, Ausbeutung, dem Verlust unserer Ideale und werden mit einen Schlaf belohnt, der uns keine Erholung mehr schenkt.

Was wir alle aushalten müssen, sind Bedürfnisse, die andere in uns erweckt haben. Angeblich, weil eine Notwendigkeit besteht. Und Begierden, für die wir unsere letzten Werte hergeben.
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo bo-ehd,

so einfach scheint es mir nicht zu sein.
Errungenschaften sind Errungenschaften - nehmen wir zum Beispiel die Erfindung des Penicillins.
Ich halte es auch für dem Menschen innewohnend, dass er Entwicklungen macht - nehmen wir die Veränderungen von der Haus- zur Tauschwirtschaft. Wenn es so lange her ist, scheinen wir den Menschen zuzugestehen, dass sie etwas Sinnvolles getan haben, aber heutzutage - und bei der Taktfrequenz der 'Innovationen' - erscheinen die Änderungen mindestens janusköpfig. Aber warum ist das so?
Wenn wir das Prinzip verachten, kommen wir den Ursachen nicht näher, warum manche Veränderungen verachtenswert erscheinen.

Liebe Grüße
Petra
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo Petra,
es wäre töricht, all die großen Errungenschaften unserer zivilen Welt zu verneinen. Ich wollte auch nicht, dass beim Leser dieser Eindruck entsteht. Mir ging es in meinem Text nur darum, einmal nachzudenken, was all diese Entwicklungen mit dem Menschen machen und in der Vergangenheit gemacht haben. Du erwähnst ja selbst die Janusköpfigkeit.
Ich würde in der Interpretation sogar noch einen Schritt weiter gehen: Was nützen uns die raffiniertesten Entwicklungen, wenn der Mensch nicht mehr mitkommt? Liefern wir unsere Kinder nicht diesen Entwicklungen mit fatalen Folgen aus? Und: Man beachte schon jetzt die psychische Überlastung der Menschen z.B. in der Arbeitswelt.
Liebe Grüße Bo-ehd
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Bo-ehd,

so hatte ich Dich auch nicht verstanden:
es wäre töricht, all die großen Errungenschaften unserer zivilen Welt zu verneinen
aber ich denke dennoch, wenn man dem reinen lamento entkommen will, kann man sich nicht mit der Bemerkung des Beklagenswerten zufrieden geben.
Warum - frage ich mich - und nur dann kommt man einen Schritt weiter.
Warum z.B. waren die frühen Kulturen, die in Einklang mit der Natur lebten, gegenüber dem ausbeuterischen Prinzip unterlegen?
Warum erliegen wir den Göttern der Unmäßigkeit?
Mir schwant ja, dass es darauf keine zufriedenstellende Antwort gibt. Es könnte einem der Kapitalismus einfallen und schon vorher das Primat des Handels - dem wir allerdings die Impulse der Fort-, Weiter- und Höherentwicklung verdanken.
Ich fürchte es ist so: Die Janusköpfigkeit liegt in der Natur des Menschen.
Verführungen zu erliegen und heldenhafte Entsagung zu betreiben, ist in uns angelegt - und jeder entscheidet individuell, was er selbst mitmacht - zumindest in unseren Breitengraden.

Liebe Grüße
Petra
 

lietzensee

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Hallo Bo-ehd,
inhaltlich würde ich sagen: "Kann man so sehen."
Als Kurzprosa finde ich den Text aber nicht überzeugend. Kurzprosa sollte beim Lesen Freude machen. Durch deinen Text musste ich mich durchkämpfen, wie durch Fachliteratur. Die Sätze sind zu lang und zu trocken. Zum Beispiel dieser hier:
Sie hat die Einfachheit und den Frieden des Lebens zerstört und die Lebensfreude, Beschaulichkeit und die Harmonie des Miteinanders zugrunde gerichtet.
"Frieden", "zerstört, "Lebensfreude", "zugrunde gerichtet", da wurden viele große Worte aneinander gereiht. Einzeln würde jedes davon stark wirken. Zusammen verschmelzen sie für mich zu Brei.
Ich meine damit nicht, dass dies ein schlechter Text ist. Aber in der Form ist er für mich kein guter Beitrag für diese Kategorie.

Viele Grüße
lietzensee
 

rubber sole

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Hallo Bo-ehd:

mit dem, was du kritisch anmerkst, stimme ich überein. Ich habe es auch nicht so verstanden, dass essentielle Errungenschaften damit gemeint wären. Notwendige Ansatzpunkte für Evolutionäres rechne ich ebenfalls dazu. Für mich liegt der gelebte Wahnsinn vor allen Dingen im ungebremsten Wachstum um jeden Preis – hier überdreht die Menschheit bereits jetzt.

Gruß von rubber sole
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo Lietzensee,
meine letzten Beiträge hier bei den Kurztexten waren alle aphorismenähnliche Statements. Sie leben naturgemäß von einer extrem komprimierten Aussage, manchmal einer provokanten Bemerkung und lassen viel Raum für Interpretationen. Das erklärt auch die Textstruktur, die du bemängelst.
Den Inhalt dezidiert darzustellen, würde -zumindest ansatzweise - auf einen Essay hindeuten, der aber nicht beabsichtigt ist.
Liebe -grüße Bo-ehd
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo rubber sole,
genauso war es gemeint. Die Zusammenfassung unter dem Begriff "Wachstumswahnsinn" trifft den Kern der Sache. Früher mag die eine oder andere Sache, etwa die Entdeckung des Penicillins, ausschließlich dem Forschertrieb zugeschrieben worden sein, heute ist das längst anders. Um bei der Medizin zu bleiben: Wenn sich ein Pharmakonzern der Krebsforschung verschrieben hat und investiert, dann nur deswegen, weil eine Chance auf Supergewinne besteht.
Mir ging es bei meinem Text ausschließlich darum, wie unter all diesen Umständen der Mensch "baden" geht.
Gruß Bo-ehd
 



 
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