Versuch über die Angst

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fee_reloaded

Mitglied
Die Idee, jemandem Angst injizieren zu können, hat schon für sich allein etwas sehr Gruseliges... das Scotophobin, das Ungar in Rattengehirnen entdeckt hatte, nachdem er ihnen per Elektroschocks die Angst vor der Dunkelheit eingeflößt bzw. antrainiert hatte, erzeugte bei Verabreichung an andere Tiere in diesen ebenfalls Dunkelangst....überhaupt war zur Zeit Ungars die Gehirnforschung daraufhin irgendwie gruselig unterwegs. Man dachte ernsthaft, wenn das mit Angst ginge, könne man auch Erinnerungen auf molekularer Basis "absondern" und verpflanzen....dazu wurde auch eifrig an offenen Menschengehirnen von Menschen bei vollem Bewusstsein herum"gesucht"...

Von einem, der auszog das Fürchten zu lehren trifft es perfekt...wäre das doch nur ein Märchen über das seltsame Wirken irgendwelcher gruseliger "Alten"....sehr schön dazu auch das "feinstofflich", das die eigentliche Grausigkeit dieser "Versuche" konterkariert. Fein war da definitiv gar nichts an diesen Versuchen.

Erinnert mich auch ein wenig an Kate Bushs geniales "Experiment IV".

Ich mag, wie dein Text bei mehrmaligem Lesen und In-die-Tiefe-Gehen immer weitere Denk- bzw. Bedeutungs-Schichten eröffnet...sehr stimmig und fast schon hinterlistig "gewoben", dein Versuch über die Angst, lieber sufnus! Respekt!

Sehr gerne gelesen und ins dunkle Labyrinth des Textes abgetaucht!
Liebe Grüße,
fee
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

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Hey Fee!
Ganz lieben Dank für die Sterne, die detailgenauen Erklärungen zum Hintergrund und natürlich die Vertiefung in den Text! :)
Man kann hier in der Tat "nach einer wahren Begebenheit" drunter oder drüber schreiben, eine Info, die ich schon bei Filmen nicht allzu sehr schätze, die bei Gedichten nach meinem Dafür- oder -gegenhalten aber noch problematischer ist, weil man sich dann ja als Leser*in schon fragen kann, ob man mit einem Sachtext nicht besser "bedient" gewesen wäre als mit der naturgemäß informationssperrigeren Lyrik.
Die selbstgestellte Aufgabe war hier also, aus einem Lexikonbeitragartigen Text irgend etwas im weitesten Sinne Gedichtähnliches zu machen. Ich bin nicht 100% zufrieden, aber Dein Lob zeigt mir, dass ich zumindest auf dem richtigen Weg war.
Das nächste Gedicht geht wieder über etwas Textgattungsgemäßeres. :)
LG!!!
S.
 

fee_reloaded

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weil man sich dann ja als Leser*in schon fragen kann, ob man mit einem Sachtext nicht besser "bedient" gewesen wäre als mit der naturgemäß informationssperrigeren Lyrik.
Da ich davon ausgehe, dass nicht jeder das Hintergrundwissen besitzt (ich bin da nun mal ein Nerd und sauge solche Dinge auf...bin da seinerzeit als Pen & Paper Roleplaying Gamemaster bei Hintergrundrecherchen auf dieses Thema gestoßen), möchte ich noch hinzufügen, dass ich glaube, dein Gedicht funktioniert ohne selbiges auf einer anderen Ebene vielleicht sogar noch besser...denn die Nennung Ungars lässt zwar ausreichend vermuten, dass es hier um teilweise Wahres geht, man muss aber nichts wissen, um den Text "genießen" zu können. Die zweite Strophe ist ja so formuliert, dass da auch die (böse) Märchenkomponente mit hineinfließt und mit den letzten zwei Zeilen verortest du alle Ebenen des Gedichts noch einmal sehr eindeutig, ohne aber konkret zu werden. Das gibt dem Text etwas leicht "Ungreifbares", "Waberndes" und das ist auf jeden Fall spannend, lässt Ahnungen aufkommen und - am wichtigsten aus meiner Sicht - nur unscharfe Bilder und Konzepte. Und dann ist es Mystery vom Feinsten mit X-Faktor gewissermaßen... ;)

Ich mags! So und so. Sehr!
LG,
fee
 

sufnus

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Hey Gute Gedichts-Fee! :)
Dein letzter Kommentar führt dazu, dass das Gedicht in meiner Eigenlobskala tatsächlich deutlich geklettert ist! Ich finde ja "konstruktives Lob" durchaus schwieriger als sachliche Kritik, denn im Falle des Gefallenfindens geht es zumindest mir häufig so, dass ich gar nicht so genau sagen kann, was mir nun genau an einem Text gefällt. :)
Vielen vielen Dank für diese Erläuterungen!!!
…. und btw. ein interessantes Pen-&-Paper-Spiel habt ihr da gespielt... ging es um verrückte Wissenschaftler oder um Zombies? Oder beides?
Auf alle Fälle Hut ab für Deine Hintergrundrecherche! :)
LG!
S.
 

fee_reloaded

Mitglied
…. und btw. ein interessantes Pen-&-Paper-Spiel habt ihr da gespielt... ging es um verrückte Wissenschaftler oder um Zombies? Oder beides?
Da ist ja die Hintergrundrecherche schon Teil des Spaßes. Immerhin möchte man seine Spieler ja in Situationen bringen, wo es wirklich haarig wird ;)
Wir spielten hauptsächlich ein System, das in H.P. Lovecrafts unaussprechlichen Welten des Grauens (und meistens in den 1920ern) verortet ist. Die Großen Alten schlummern und warten nur darauf, durch ein finsteres Ritual irgendeines Kults wieder erweckt zu werden und die Investigatoren (=Spieler) wissen nie so genau, woher dann die eigentliche Bedrohung kommt (meistens sind es dann eben doch die Menschen - verrückte Wissenschaftler, die Cthulhu in ihren Träumen sehen und dann auf solche Ideen kommen wie ein Georges Ungar zum Beispiel. Am schönsten war dann immer, wenn ein Spieler schon leicht dem Wahnsinn anheim fiel und dieses auch ausspielen musste. Das garantierte - mit der richtigen Spielerrunde natürlich - immer viel Spaß. ;)

Dein letzter Kommentar führt dazu, dass das Gedicht in meiner Eigenlobskala tatsächlich deutlich geklettert ist!
Das freut mich!!!
LG,
fee
 

sufnus

Mitglied
Sehr lässiges Spiel habt Ihr da am Start gehabt, Fee! :)
Und bzgl. Walthers Selbstdiagnose (in der Nebenkommentarspalte) einer sich anbahnenden Hirnmusigkeit, hoffe ich (mit guten Gründen) ja sehr, dass selbige sich am Ende doch eher zu den Musen als zum Mus wendet! :)
LG!
S.
 

Tula

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Hallo sufnus
So heiter kann Gruseln sein ... Na dann für heute Nacht ein paar injizierte Träume :cool:

LG Tula
 

sufnus

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Hey!
Also bei Muskuss @fee_reloaded muss ich jetzt an ein babybreiverschmiertes Mündchen denken, das zu einem dicken Schmatzer "ausholt" - eigentlich mag ich die Vorstellung. :)
Und @Tula : Die letzte Nacht war tatsächlich recht durchheitert - von injizierbaren Träumen würde ich persönlich aber dann doch eher Abstand nehmen. In peroraler Form, als ein leicht überreifer Claret mit 12,5 % Alkohol aus der Prä-Klimawandel-Epoche,, seinerzeit für einen aus heutiger Sicht spottbilligen Preis aus einem Supermarktregal gefischt, lass ich mir eine Zufuhr von Träumen allerdings gefallen. Wobei... aktuell wär es mir selbst dafür etwas zu heiß... dann lieber ein schönes kühles Helles. :)
LG!
S.
 
lieber sufnus,
ich mag die lakonie, die das unsagbare des perfiden so banal macht, wie es das böse doch ist.
auch. und das macht es so unoffensichtlich gruselig.
liebe grüße
charlotte
 

sufnus

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Vielen Dank, charlotte, für diese Gedanken. :)

Ich muss gestehen, dass ich die Überlegungen, die Arendt an den Eichmannprozess angeknüpft hat, nie gelesen habe, vielleicht liegt es daran, dass ich mit der Frage nach dem Banalen im Bösen nie so recht zurande kam und mir die Frage nach dem Bösen im Banalen bisher immer ergiebiger erschien. Aber vielleicht hat Arendt das sogar so gemeint. Jede Menge von keiner Ahnung - soweit als ich bin betroffen.

Aber der Wissenschaftler, der von einer völlig halbgaren Grundannahme ausgeht und diese dann mit den geschilderten gruseligen Versuchen auf Biegen und Brechen beweisen möchte (man kann sich vorstellen, dass er sich dabei schon mindestens in Nobelpreisreichweite wähnt) und dann kollabiert die ganze Hypothese.... das hat an sich schon auch etwas... ich weiß nicht, ob banal das richtige Wort ist... aber etwas in der Richtung.... es ist irgendwie toxisch und zwergenhaft (?).

LG!

S.
 



 
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