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Die Grunderfahrung einer Trauer ist mir nicht unbekannt. Die ersten Erlebnisse dieser Art liegen Jahre zurück, sie waren ganz anderen Ursprungs als heute: Tod der Großeltern, der Eltern, einiger meiner Freunde, von Nachbarn. Nun der Tod meiner Ehefrau. Siebenunddreißig gemeinsame Jahre lang hatten wir eine funktionierende, überwiegend harmonische Ehe geführt. Mit allem, was dazu gehört, so das Credo meiner Frau. Ich habe einige wenige Details anders in Erinnerung als sie, diese jedoch nie angesprochen, dazu gab es keinen triftigen Grund; denn ich bin zu keiner Zeit in unserer Ehe wirklich unglücklich gewesen. Wir gingen überwiegend liebevoll miteinander um. Hierbei habe ich es immer als angenehm empfunden, geführt zu werden, mich anzupassen, mich gelegentlich anzulehnen. Ich fühlte mich wohl an der Seite einer starken Frau.
Nur ein für mich wichtiges Thema habe ich dauerhaft ausgeklammert: meinen Traum von einer Reise nach Usbekistan, entlang der Seidenstraße, von Samarkand nach Buchara. Diesen trug ich seit Jahrzehnten in mir, tags wie nachts, und der trieb mich im Laufe der Jahre immer stärker um. Ich konnte den konkreten Ursprung dieses Wunsches nicht erklären, er war irgendwann ganz einfach da. Dieser Traum haftete fest in mir, dominierte den Raum meiner Sehnsüchte. Damit hätte ich meiner Frau niemals kommen können, unter keinen Umständen, dafür war sie zu konventionell, zu bodenständig gewesen; und ich scheue Konflikte. Gemeinsame Reisen auf die Balearen sowie Radtouren entlang Elbe, Weser oder Mosel, das war für sie der sehr geschätzte Reisestandard, ich passte mich dem an, nicht ungern, gebe ich zu.
Nun gilt es die ersten schweren Monate der Trauer zu überstehen, den Zustand des Verlusts zu überwinden. Mein bisheriges Leben war krachend eingestürzt, ich musste herauskommen aus meiner tiefen Niedergeschlagenheit. Als Maßnahme erschien mir eine Reflexion, oder besser noch, die Verwirklichung meines Lebenstraums, die entscheidende Hilfe zu sein, ich stieg tief in diesen ein. Ich plante den Start in ein neues Leben, das galt es allerdings alleine zu bewältigen. Es würde eine komplett neue Erfahrung für mich bedeuten, mein Leben zunächst in relativer Ungewissheit, ohne Zweisamkeit, aber auch ohne Rechtfertigung gegenüber einer Partnerin zu gestalten. Hierbei ging es aktuell für mich um die Überwindung tiefer Trauer, von deren Folgen ich mich durch Erfüllung meines großen Traums, dieser Reise entlang der Seidenstraße, befreien wollte.
Im Prinzip stand dieser Plan; ich hatte ihn ungezählte Male im Geiste durchgespielt, in allen Details, wieder und wieder in meiner Fantasie. Und so benötigte ich keine weiteren Informationen über Land und Leute - davon hatte ich in all den Jahren unsagbar viele in mir angehäuft. Und als der Traum dann konkreter wurde, boten die Details alles, was ich mir erträumt hatte. Allein das Leben dort, die Magie dieses Sehnsuchtsortes, inmitten der mittelalterlichen orientalischen Kulturstätten, in Samarkand und an anderen Orten in Zentralasien, mit all den prächtigen Moscheen, Mausoleen und Medresen, das alles fühlte sich unfassbar schön an. Dies allein wäre eine solche Reise wert. Und das von mir erträumte Leben ging weiter, ich erfuhr eine Steigerung meiner Fantasien beim Besuch der kulturellen Schätze in der alten Metropole Buchara. Dort traf ich völlig unvorhergesehen und mit Urgewalt auf einen Menschen, der mein Leben komplett veränderte. Es war die Begegnung mit einer einzigartigen Frau, deren Ausstrahlung mich augenblicklich in ihren Bann zog, deren spezielle Aura mir ein Lebensgefühl vermittelte, das für mich vorher nicht vorstellbar gewesen war, nicht einmal in meinen kühnsten Träumen. Sie war eine Suchende, die ihre Komfortzone verlassen hatte, um den Weg zu sich selbst zu finden, dabei den Zustand von Mensch und Natur zu reflektieren, und darüber zu berichten. So fanden zwei forschende Seelen in Buchara zueinander. Wir erlebten eine Zweisamkeit von höchster Intensität, und für mich als überaus geschätztes Erlebnis, auf Augenhöhe. Solch einen Zustand hatte ich seit langen Jahren nicht erlebt. Nun wähnte ich mich am Ziel meines Traums, mein vorheriges Leben schien endgültig hinter mir zu liegen.
Diese Gefühlslage machte mich empfänglich, unbekannte Ziele anzustreben. Ich ließ mich mich von den Projektionen dieser charismatischen Frau mitreißen, deren Weg nicht hier in Usbekistan enden sollte, diese Orte hier waren für sie nur Zwischenstopp zu ihrem Endziel, dem Gipfel des Berges Ararat. Als ebenso inspirierter wie zielstrebiger Mensch war sie nicht von alpinistischer Herausforderung getrieben, auch hatte sie keinen biblischen Bezug zum Berg der Arche Noah, wie es das Alte Testament im Buch Genesis beschreibt. Etwas völlig anderes beflügelte sie, sie suchte dort das ultimative Erlebnis, eine Erfahrung, dessen Werte sie kommunizieren wollte, inspiriert von den Mythen des Ararats als Symbol verfehlter Lebensweisen der Menschheit. Alttestamentarische Ansätze, wie verweigerter Gehorsam und Bestrafung durch einen zürnenden Gott, spielten für sie in diesem Kontext keine Rolle. So erfuhr ich dann, dass eine Lesart des sumerischen Gilgamesh-Epos' die Motivation war, die meine Partnerin antrieb. Darin wurde, unter anderem, eine Naturkatastrophe beschrieben, die in einer gewaltigen Überflutung der Welt endet, mit der verbleibenden Spitze des Ararat-Massivs als Symbol, als mahnenden, steil aufragenden, weithin sichtbaren Gipfel. Die heutige Befindlichkeit unseres Planeten, der Zustand von den Küsten unserer Meere, scheint dem vergleichbar. Ich konnte den Sinn ihrer geplanten Manifestation nachvollziehen und begleitete diese Frau voller Inspirationen bis an den Fuß des mächtigen Berges und half ihr bei den Vorbereitungen für den Aufstieg. Dann verlor ich sie aus den Augen.
Hier endet die Beschreibung meines Traums, der eine Last von mir nimmt, und ich kann erstmals vorbehaltlos über meine Trauer kommunizieren. Eine Deutung des Reisetraums wird meine Psychotherapeutin später vornehmen. In einer unserer letzten Sitzungen hatte sie mir bestätigt, dass ich mich auf einem guten Weg der Trauerbewältigung befände.
Nur ein für mich wichtiges Thema habe ich dauerhaft ausgeklammert: meinen Traum von einer Reise nach Usbekistan, entlang der Seidenstraße, von Samarkand nach Buchara. Diesen trug ich seit Jahrzehnten in mir, tags wie nachts, und der trieb mich im Laufe der Jahre immer stärker um. Ich konnte den konkreten Ursprung dieses Wunsches nicht erklären, er war irgendwann ganz einfach da. Dieser Traum haftete fest in mir, dominierte den Raum meiner Sehnsüchte. Damit hätte ich meiner Frau niemals kommen können, unter keinen Umständen, dafür war sie zu konventionell, zu bodenständig gewesen; und ich scheue Konflikte. Gemeinsame Reisen auf die Balearen sowie Radtouren entlang Elbe, Weser oder Mosel, das war für sie der sehr geschätzte Reisestandard, ich passte mich dem an, nicht ungern, gebe ich zu.
Nun gilt es die ersten schweren Monate der Trauer zu überstehen, den Zustand des Verlusts zu überwinden. Mein bisheriges Leben war krachend eingestürzt, ich musste herauskommen aus meiner tiefen Niedergeschlagenheit. Als Maßnahme erschien mir eine Reflexion, oder besser noch, die Verwirklichung meines Lebenstraums, die entscheidende Hilfe zu sein, ich stieg tief in diesen ein. Ich plante den Start in ein neues Leben, das galt es allerdings alleine zu bewältigen. Es würde eine komplett neue Erfahrung für mich bedeuten, mein Leben zunächst in relativer Ungewissheit, ohne Zweisamkeit, aber auch ohne Rechtfertigung gegenüber einer Partnerin zu gestalten. Hierbei ging es aktuell für mich um die Überwindung tiefer Trauer, von deren Folgen ich mich durch Erfüllung meines großen Traums, dieser Reise entlang der Seidenstraße, befreien wollte.
Im Prinzip stand dieser Plan; ich hatte ihn ungezählte Male im Geiste durchgespielt, in allen Details, wieder und wieder in meiner Fantasie. Und so benötigte ich keine weiteren Informationen über Land und Leute - davon hatte ich in all den Jahren unsagbar viele in mir angehäuft. Und als der Traum dann konkreter wurde, boten die Details alles, was ich mir erträumt hatte. Allein das Leben dort, die Magie dieses Sehnsuchtsortes, inmitten der mittelalterlichen orientalischen Kulturstätten, in Samarkand und an anderen Orten in Zentralasien, mit all den prächtigen Moscheen, Mausoleen und Medresen, das alles fühlte sich unfassbar schön an. Dies allein wäre eine solche Reise wert. Und das von mir erträumte Leben ging weiter, ich erfuhr eine Steigerung meiner Fantasien beim Besuch der kulturellen Schätze in der alten Metropole Buchara. Dort traf ich völlig unvorhergesehen und mit Urgewalt auf einen Menschen, der mein Leben komplett veränderte. Es war die Begegnung mit einer einzigartigen Frau, deren Ausstrahlung mich augenblicklich in ihren Bann zog, deren spezielle Aura mir ein Lebensgefühl vermittelte, das für mich vorher nicht vorstellbar gewesen war, nicht einmal in meinen kühnsten Träumen. Sie war eine Suchende, die ihre Komfortzone verlassen hatte, um den Weg zu sich selbst zu finden, dabei den Zustand von Mensch und Natur zu reflektieren, und darüber zu berichten. So fanden zwei forschende Seelen in Buchara zueinander. Wir erlebten eine Zweisamkeit von höchster Intensität, und für mich als überaus geschätztes Erlebnis, auf Augenhöhe. Solch einen Zustand hatte ich seit langen Jahren nicht erlebt. Nun wähnte ich mich am Ziel meines Traums, mein vorheriges Leben schien endgültig hinter mir zu liegen.
Diese Gefühlslage machte mich empfänglich, unbekannte Ziele anzustreben. Ich ließ mich mich von den Projektionen dieser charismatischen Frau mitreißen, deren Weg nicht hier in Usbekistan enden sollte, diese Orte hier waren für sie nur Zwischenstopp zu ihrem Endziel, dem Gipfel des Berges Ararat. Als ebenso inspirierter wie zielstrebiger Mensch war sie nicht von alpinistischer Herausforderung getrieben, auch hatte sie keinen biblischen Bezug zum Berg der Arche Noah, wie es das Alte Testament im Buch Genesis beschreibt. Etwas völlig anderes beflügelte sie, sie suchte dort das ultimative Erlebnis, eine Erfahrung, dessen Werte sie kommunizieren wollte, inspiriert von den Mythen des Ararats als Symbol verfehlter Lebensweisen der Menschheit. Alttestamentarische Ansätze, wie verweigerter Gehorsam und Bestrafung durch einen zürnenden Gott, spielten für sie in diesem Kontext keine Rolle. So erfuhr ich dann, dass eine Lesart des sumerischen Gilgamesh-Epos' die Motivation war, die meine Partnerin antrieb. Darin wurde, unter anderem, eine Naturkatastrophe beschrieben, die in einer gewaltigen Überflutung der Welt endet, mit der verbleibenden Spitze des Ararat-Massivs als Symbol, als mahnenden, steil aufragenden, weithin sichtbaren Gipfel. Die heutige Befindlichkeit unseres Planeten, der Zustand von den Küsten unserer Meere, scheint dem vergleichbar. Ich konnte den Sinn ihrer geplanten Manifestation nachvollziehen und begleitete diese Frau voller Inspirationen bis an den Fuß des mächtigen Berges und half ihr bei den Vorbereitungen für den Aufstieg. Dann verlor ich sie aus den Augen.
Hier endet die Beschreibung meines Traums, der eine Last von mir nimmt, und ich kann erstmals vorbehaltlos über meine Trauer kommunizieren. Eine Deutung des Reisetraums wird meine Psychotherapeutin später vornehmen. In einer unserer letzten Sitzungen hatte sie mir bestätigt, dass ich mich auf einem guten Weg der Trauerbewältigung befände.