Sure (Zebra-Gazelle aus dem Tantalos-Zkylus)

mondnein

Mitglied
Sure


Schreibe! Denn zum Schreiberohr ernannt
Deines Herrn bist du. So schreibe wie
Du dort scheitern wirst hinabgesandt
Aus dem Licht der Sichphilosophie
In die Wüste voll von Trug und Tand:

Spiegelung verkehrt dir alles. Sieh:
Welcher Wahn betrieben mit Verstand
Dort zum stolzen Fels gerinnt und wie
Unsre Liebe unser Herzensbrand
Still belächelt wird als Agonie

Wisse: Dichtung ist uninteressant
Spinnerei der kranken Phantasie
Und geschickter als dein Reimeband
Schlägt der Witz den Takt der Melodie
Alles was du webst mit deiner Hand
Werden sie entknoten ohne Müh
Und was du gesetzt in ihren Sand
Werden sie bedüngen wie das Vieh
Wenn du von den Spöttern wirst erkannt

Schreibe: Eine Blechpandora lieh
Dir der Herr und schickte dich ins Land
Dessen Reichtum bis zum Himmel schrie
Warf dein Floß an ihren kalten Strand
Stieß dich aus – nach Haus gelangst du nie! –
Gab dir noch das Aussehn und Gewand
Eines Bettlers. Und nun heißt es: Zieh
Durch die Märkte als das Unterpfand –
Schreibe: – der verlornen Liebesmüh
 

Stavanger

Mitglied
Hallo mondnein,

Ich weiß mal wieder gar nichts und musste erst "Sure" nachgucken.
Aha.
Du schreibst also selber welche, und die folgen einer festen Form?
"Blechpandora" ist jedenfalls etwas Neues und Witz anscheinend erlaubt.
Und das sind lange Serien oder Zyklen.
Ui!

Schon irgendwie beeindruckt
und mit Gruß:
Uwe, mit einem Hang zum möglichst Einfachen. Meistens.
 

mondnein

Mitglied
Als "Sure" , lieber Uwe,

habe ich dieses Lied bezeichnet,
1. weil es das lyrische Du mit einem kurzen "Schreibe!" anspricht, vergleichbar dem Imperativ "Lies" zu Beginn der ältesten Koransure:
2. weil es einen bzw. zwei durchgängige Haufenreime an die Versenden setzt, allerdings nicht in Reimprosa, wie der Koran, sondern zu fünfhebigen Verspaaren;
3. weil das lyrische Du, der Dichter dieser Zeilen, wie ein Prophet zum poetischen Verkünden genötigt wird. Das haben die Propheten des alten Testaments mit dem "Gesandten" Mohammed gemeinsam, daß ihre ältesten und ursprünglichsten Texte durchgängig in poetischen Formen abgefaßt sind: die der Hebräer Jesajah, Jeremiah, Hesekiel, wie übrigens auch die meisten Sprüche Jesu, im Parallelismus Membrorum,
und die des Arabers Mohammed (bei den frühmekkanischen Suren) in Reimprosa, siehe die poetisch gleichgeformten Rückert-Übersetzungen dieser poetischen Suren an angegebener Stelle, und auch sonst:
Ich schreibe auch sonst Ghaselen, d.h. Gedichte, bei denen jeder zweite Vers im Haufenreim "ge-echot" wird, und wenn außer den B-Zeilen auch die A-Zeilen dazwischen einem (anderen) Haufenreim folgen, könnte man das einen "kalten Hund" nennen, oder, wie hier, ein "Zebra".

grusz, hansz

P.S.:
Die letzte Strophe macht aus dem lyrischen Du einen heimkehrenden Odysseus.
 
Zuletzt bearbeitet:

Stavanger

Mitglied
Vielen Dank fürs geduldige Erklären!
Ich habe nun ein bisschen Ghaselen gelesen und über den Streit zwischen Heine und Platen, was mir alles völlig neu ist. Außer dass die beiden schon beim Thema: "unreine Reime" auf verschiedenen Seiten standen.
Ich werde nicht sehr weit in diese Themen gucken, aber ein Mindestmaß an Einblick und Eindruck wird mir auch nicht schaden.
Schönen Gruß!
Uwe
 



 
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