Sterne am Himmel

Nika

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Meine Mutter weckt mich in der Nacht. Sie muss unbedingt mit mir vor der Tür reden, da das ganze Haus verwanzt ist. Mein Vater, der uns abhört, darf nichts davon erfahren. So stehen wir im Dunkeln, die Sterne leuchten fast heimelig, auf dem Treppenabsatz vorm Haus. Verzweifelt weint meine Mutter und ich bekomme Selbstzweifel – wer ist hier verrückt? Die Telefone werden auch abgehört, das machte das Ganze nicht einfacher.
Es ist noch nicht die Zeit, in der mein Vater das Essen präpariert, um je nach Tagesform meiner Mutter, sie oder den Hund zu vergiften. Zu dieser Zeit habe ich schon eine eigene Wohnung, daher falle ich als Giftopfer aus. Als meine Mutter allerdings meinen Wohnungsschlüssel, den sie für alle Fälle hat, nicht mehr findet, besteht akute Gefahr für meinen Leib und mein Leben, da mein Vater sicher bewaffnet hinter einer Tür meiner Wohnung auf mich lauert.
Meine Mutter ist aber auch sehr umtriebig. Sie versucht, ihren Stiefvater bei der Polizei anzuzeigen, weil er mit seiner Frau mit dem Auto gegen die Wand gefahren ist. Für meine Mutter eindeutig ein Mordversuch. Bald ist meine Mutter bei der Polizei der Kleinstadt bekannt, mal sucht sie meinen Vater, der seit Jahrzehnten nicht mehr dort arbeitet, mal sie will ein Verbrechen anzeigen.
Dann der Anruf von der Polizei, sie haben meine Mutter auf der Autobahnbrücke eingesammelt. Ich bin schockiert und erleichtert. Meine Mutter wird in die Psychiatrie gebracht. Dort wirft sie den Koffer durch den Gang, schreit, tobt und will nicht dortbleiben. Alles habe mein Vater angezettelt, der sie abschieben wolle. Dann kommt die Richterin und setzt dem ein Ende. Meine Mutter bleibt und mein Vater fährt heim, um Schuld zu verteilen. Er hat keine, das ist klar. Meine Schwestern auch nicht, die sind klein und brav. Also ich und mein Bruder, das stand von vorneherein fest. Wir sind anstrengend, ausgeflippt und machen nicht das, was von uns erwartet wird. Schuld wiegt schwer.
Meine Mutter wird aus der Psychiatrie entlassen und sagt mir, dass sie sich umbringen wird, wenn ich ausziehe. Das brennt sich in meinem 20jährigen Kopf fest und lähmt zwei Jahre lang meine „Ausbruchstendenzen“ aus dem Elternhaus. Schließlich ziehe ich doch aus und habe damit zum ersten Mal im Leben einen „sicheren Hafen“. Doch ich verspreche ihr, dass ich in der Nähe bleibe und mich um sie kümmere. Diesem Versprechen bleibe ich bis zu ihrem Tod, 25 Jahre lang, treu.
 



 
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