Ein starker Text, liebe Hera,
den ich mit einem stark sarkastischen und natürlich auch kritischen Unterton lese.
Ich schaue aus meinem Fenster und
sehe grüne Bäume und
Vögel die fliegen, als herrsche heile Welt.
Ein verengter Blick.
Die Nachrichten sind auch heute mehr als düster.
Die heile Welt...der verengte Blick...wie gut, dass die Nachrichten uns da in unserer Engstirnigkeit korrigieren und uns die große weite Welt mit all den gewichtigen schlimmen Ereignissen und Zuständen in Weitwinkelmanier vor Augen halten.
Sie berichten aber nicht von dem Obdachlosen, der an der Straßenecke gegenüber dem Kaffeehaus schläft und sitzt, wo viele Wiener - mich eingeschlossen - sich gerne einen Eiskaffee gönnen. Sie berichten nicht von der Nachbarin auf Stiege 4, die man ab und zu laut weinen hört. Nicht von dem Schulkind, das sich im Zimmer verkriecht, weil es von allen gemobbt wird. Die sind nicht (ge)wichtig genug, ums in die Nachrichten zu schaffen (oder genauer gesagt: sie schaffen es erst, wenn einer von denen auf tragische Weise den Tod gefunden hat).
Es wird immer schwieriger, sich da als Individuum auf seinem winzigen Fleckchen auf der Welt noch richtig zu "verorten" und sich ein Stückchen Glück - und auch Romantik - zuzugestehen.
Wer in seiner "be-engten heilen Welt" glücklich ist, kann schließlich nicht zugleich "woke" sein, oder?
Man geht nicht damit hausieren, gerade glücklich zu sein. Vielleicht wäre aber genau das die gesunde
GegenErgänzungsperspektive, die allerorts fehlt (im Sinne von: es gibt etwas, wofür es sich lohnt, sich im Guter-Mensch-Sein anzustrengen...jetzt arg vereinfacht ausgedrückt).
Der Schmetterling ist hier. Der Krieg weit weg. Was für ein ketzerischer Gedanke!!! Geht gar nicht! Aber tatsächlich denkt ja keiner so, nur, weil er selbst gerade sein Leben genießt.
So aber, kommt mir vor, wird das oft wahrgenommen und das hieße ja im Umkehrschluss: egal wo auf der Welt gerade Krieg tobt und wie weit weg - du darfst deshalb keine schönen Momente genießen, denn das würde ja das Leid ignorieren....ich denke, die Absurdität wird klar...
Das zeigt dein Text sehr schön auf! Das alte Sofa, ein gutes Buch und eine Auszeit mit Blick nach innen. Selbstfürsorge vom Feinsten.
Sie sorgt auch dafür, dass wir nicht irgendwann austicken und so selbst zum Leid "auf der Welt" beitragen.
Ein wenig erinnern mich deine Zeilen auch an meine Großtante, die immer wieder depressive Phasen hatte. Da war das ganze Leid "da draußen", das die Nachrichten zu ihr ins Wohnzimmer getragen haben, ab einem gewissen Punkt so übermächtig präsent, dass sie auch die grünen Bäume und Vögel nicht mehr wahrnehmen konnte und sich schuldig fühlte, es "ja eigentlich gut" zu haben. Und sie fühlte sich definitiv verantwortungslos angesichts "all des Unglücks all der armen Menschen da draußen".
Sehr gerne gelesen!
LG,
fee
EDIT: die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es immer gut ist, deutlich zu machen, wenn ich etwas sarkastisch oder ironisch meine. Das ist hier natürlich in weiten Teilen der Fall.