Musiktagebuch: Masters of war

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Schon erstaunlich, wie schnell das Soldatische zuletzt wieder das Image gewechselt hat.
Als Sicherheitsgaranten, Ordnungsschaffende, als Friedens- und Heilsbringer, als Helden lassen sie sich nunmehr feiern, die sie mit der Waffe in der Hand durch die Welt stolpern.
Neue Rüstungsfabriken werden gar nicht mehr zähneknirschend hingenommen, sondern fast schon herbeigesehnt und feierlich eröffnet.
Die Aufrüstung bricht alle Allzeit-Rekorde, das Geschäft mit dem Kriegsgerät floriert wie noch nie.
Im TV laufen Sendungen, die „Einblick gewähren“ in die Welt des Militärischen als ginge es um eine reizvolle Reisedoku und um ein Land, in dem man gewesen sein muss.
Wo Militärs in den Nachrichten reden – und dort reden sie schon auffallend oft - nickt man ringsum verstehend, wenn sie von Strategien und Kampfstärke philosophieren.
Direkte Werbung fürs Heer begegnet einem auch immer öfter auf den Straßen. Auf Plakaten, Werbebannern stellt man das Tötungsgeschäft als etwas Lohnendes dar. Etwas, das Karriere, Zukunft, Geld verspricht – und Ehre obendrein.
Ehre, Disziplin, Gehorsam gelten wieder was in einer Zeit, die wieder zunehmend von krisenhaftem Chaos gezeichnet ist.
Es wird gefordert, dass ganze Bevölkerungen kriegstüchtig werden, allzeit bereit für den Krieg, den Kampf, die martialische Waffengewalt. Gegen, natürlich, wieder andere Bevölkerungen, die ihrerseits zur Kriegstüchtigkeit berufen sind.
Die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete reißen auch gar nicht mehr ab. „Öl ins Feuer“ wird als ernsthafter Löschversuch etikettiert, derweil die Flammen des Krieges nur immer höher lodern.
Der Frieden kommt, wenn überhaupt, erst weit nach dem Sieg.

Vor gar nicht allzu langer Zeit war noch alles anders gewesen.
Der soldatische Kadavergehorsam und uniformierte Konformität wurden regelmäßig nur bespöttelt, etwa in Serien und Filmen.
Kritik- und gedankenloses Befehle-Befolgen war gemeinhin nichts Bewundernswertes, nur ein Witz oder ein Relikt einer irregegangenen Zeit; ebenso das herrische Getue sadistischer Befehlsgeber.
Selber denken, individuell, variantenreich und unangepasst sein, sowas galt demgegenüber als ein Ideal.
Man wusste: Neue Rüstungsfabriken bringen keine Sicherheiten und das gute Leben, sondern bringen nur viele Tode, den Tod für viele.
Wo man Militärs auf den Bildschirmen sah, war klar, dass dort, wo der Militärmensch spricht, schon einiges im Argen liegt und NICHT dachte man sich: Durch Menschen wie diesen wird am Ende alles gut.
Militärische Taktik nickte man nicht etwa ab, sondern man fragte nach einer Konfliktlösung abseits eines Schlachtfelds.
Seine Tüchtigkeit investierte man in den Frieden, um den man sich, das wusste man, bemühen muss, damit es zum Krieg nicht kommt.
Und Waffen in Kriegsgebiete: War aus gutem Grund ein vernünftiges Tabu.
Alles anders jetzt.
Dass sich die allgemeine Wahrnehmung so derart verschoben und verändert hat, ist indes kein Zufall und kein Automatismus, sondern ward uns beständig ins Hirn getröpfelt.

Ebenfalls vor gar nicht allzu langer Zeit (2013) coverte der populäre Musiker Ed Sheeran einen alten Song des musikalischen Großmeisters und Literaturnobelpreisträgers Bob Dylan:
„Masters of war“.
Dieser Song war in einer Zeit entstanden, in der das Militärische ebenso versuchte, sich als universelle Antwort zu gerieren.
Auch dieses Lied musste sich damals erst gegen einen soldatischen Zeitgeist durchsetzen und stieß zunächst schon auch auf Ablehnung – konnte sich schließlich aber durchsetzen und wurde lange Zeit als Protestsong und Anti-Kriegs-Hymne gefeiert.
2013, als Ed Sheeran auf die Idee kam, diese Hymne zu covern, war es noch ein Leichtes, mit einem solchen Thema zu gefallen, sehr im Gegensatz zur Jetzt-Zeit.
Ich weiß ja nicht, wie Sheeran heute darüber denkt und ob er es nicht vielleicht schon bereut, diesen Song in sein Repertoire aufgenommen zu haben, eben weil dieses Thema heute kein gefälliges mehr ist. Dass er das Lied zuletzt nochmal gespielt hätte, davon habe ich jedenfalls nichts gehört.
So ist das leider oft.
Zahlreiche Künstler haben nun ihren ehemals pazifistischen Überzeugungen abgeschworen just in dem Moment, als mit einer solchen Überzeugung Gegenwind zu erwarten war. Damit haben sie bewiesen, dass ihre Überzeugungen gar keine Überzeugungen waren, nur modische Spleens und Gefallsucht.
Heute sehen auch sie den Krieg vielfach als etwas Notwendiges, geben sich parteiisch-kämpferisch und haben auch sie bloß noch einen Sieg vor Augen, den Frieden nicht mehr.

Oft wird gesagt, der Titel „Masters of war“ sei ein wütendes Lied.
Es richtet sich gegen Kriegstreiberei und den Waffenhandel, gegen Rüstungsfabriken, gegen Aufrüstung, gegen Schlachtfeldlösungen.
Ich meine, dieses Treiben kann, nein, das muss doch eigentlich wütend machen. Wütend und traurig – und dann schließlich sehnsüchtig nach etwas Besserem.
Gewiss kann man darüber streiten, ob die letzte Liedstrophe nicht ein wenig zu weit geht, wenn in den Lyrics quasi der Tod der Kriegstreiber gefordert wird, aber prinzipiell hat der Song nichts an Wahrhaftigkeit eingebüßt, im Gegenteil.
Was er aussagt, ist von universeller Gültigkeit und dringend brauchen wir die Erkenntnisse aus „Masters of war“ gerade jetzt, um uns abzuwenden vom Kriegerischen, vom Martialischen und um sehnsüchtig zu werden nach dem Frieden.

Auch wenn man uns unentwegt etwas anderes weismachen will, das mit dem Krieg ist doch stets das Gleiche.
Es gibt sie immer, die Meister des Krieges, die theoretisieren und profitieren, während Menschen für ihre meist kruden Ideen sterben müssen.
Sie bauen Waffen und Bomben und verstecken sich hinter ihren Schreibtischen, schützen gute Absichten vor, welche aber gelogen sind. Aufs Schlachtfeld schicken sie andere, um ihre Interessen durchzusetzen – meist, nachdem sie selbst auf den diplomatischen Feldern versagt haben.
Das aufklärerische Moment in der ersten Strophe ist von daher wesentlich: Ich durchschaue euch, ich sehe, was hinter eurer aufgesetzten Maske ist, das sollt ihr wissen – so sprechen die Lyrics direkt zu den Schurken.
Gleich zu Beginn wird mit der Illusion gebrochen, welche die Meister des Krieges wieder und wieder erschaffen, um ihr blutiges Geschäft und ihre Interessen über alles zu stellen.
Sie zerstören und zocken mit der Welt, als wäre diese ihr Spielzeug – das kommt einem doch sehr bekannt vor, wenn man jetzt wiederholt hört, der andere würde ja doch „nur bluffen“, man müsse was riskieren, um auf dem Schlachtfeld vorwärtszukommen und zeitgleich geht es um Welt- und Atomkriege und die Weltuntergangsuhr rückt gefährlich auf Zwölf.

Die Meister des Krieges erzeugen schändliche Ängste.
Gar noch die schlimmste Angst, die es gibt, bringen sie in die Welt; nämlich die Angst, Kinder zu haben - auch davon erzählt der Dylan‘sche Text.
Um seine Kinder muss man unentwegt Angst haben im Krieg. Sind sie noch ungeboren, ist es fraglich, ob der Krieg sie nicht bereits im Mutterleib tötet; sind sie klein, sind ihre zarten Körper ganz besonders von der erbarmungslosen Kriegsfeuersbrunst bedroht; und sind sie schließlich groß, werden sie als Kanonenfutter hinfort genommen.
Kinder zu haben, das Lebendige, das hat alles keinen Sinn und keinen Wert in Anbetracht des Krieges, der Leben vor allem auslöscht.
Und umgekehrt gedacht: In Anbetracht des Lebens ist Krieg nur sinnlos und zerstörerisch.
Der Krieg verkehrt Leben und Lebensfreude ins schiere Gegenteil und der Gedanke, Kinder zu haben, macht nicht etwa Freude, sondern Angst – ein besonders hässliches Verbrechen. In jedem Krieg, immer.

Blutig ist das Geld, das mit Kriegen gemacht wird.
Ist euer Geld so gut, dass ihr euch Vergebung davon kaufen könnt? - fragt Dylan die Meister des Krieges lakonisch, um ihnen gleich drauf die Antwort zu geben:
All das Geld, dass du gescheffelt hast, wird deine Seele nicht zurückkaufen können!
Seelenlos seid ihr, sagt der den Meistern des Krieges ins Gesicht. Ganz egal, wie gut ihr euch inszeniert, an euren Händen klebt Blut.

Dylan kommt schließlich auch einem oft gebrachten Abwehrmechanismus zuvor.
Ahnungslos von der Materie sei man, kein Experte eben, so hört man es auch heute wieder, wenn man sich gegen die Meister des Krieges auflehnt. Zu jung, zu naiv… kommen die Anwürfe, sobald man das Martialische in Frage stellt.
Dabei muss man gar kein Experte sein, um das Offensichtliche sehen, das Richtige empfinden zu können.
„Was weiß ich schon
Um zur Unzeit sprechen zu dürfen?
Du könntest sagen ich bin jung
Du könntest sagen ich bin ungebildet
Aber eine Sache weiß ich
Obwohl ich jünger bin als du
Noch nicht mal Jesus würde dir vergeben
Was du getan hast“

Dylan lässt sich nicht einschüchtern von vermeintlichen Experten, die das Kriegerische als probates und profitables Mittel entdecken.
Er sagt: Wer auf sein Herz hört und die Augen aufmacht, kann gar nicht anders, als sich gegen die Meister des Krieges aufzulehnen.
So ist auch der gesamte Song eine Aufforderung:
Macht auf die Augen und hört auf euer Gefühl! Lasst euch nicht blenden und täuschen von den Meistern des Krieges, lasst euch nicht kleinmachen. Es ist immer das gleiche Spiel.
Krieg ist nicht die Lösung, ganz egal, was man euch erzählt. Immer die gleichen Märchen: Wir hier die Guten…
Steht auf gegen die Meister des Krieges!
Waffen können nicht die Lösung sein.
Sprecht jetzt, zu dieser Zeit, die sie zur Unzeit erklären, denn das ist genau jene Zeit, die euren Protest erfordert!

Die letzte Strophe lautet schließlich:
„Und ich hoffe, du stirbst
Und dass dein Tod bald kommt
Ich werde deinem Sarg folgen
An einem trüben Nachmittag
Und ich werde zusehen, während du hinuntergelassen wirst
Hinab in dein Totenbett
Und ich werde über deinem Grab stehen
Um sicherzugehen, dass du tot bist…“


So hoffe auch ich, dass die kriegerischen Ideen bald schon tot sein werden. Begraben das Kriegsbeil sechs Fuß unter der Erde mindestens und obendrüber wächst saftiges Grün.
Dieserart verstehe ich die letzte Strophe: Nicht der Tod einer Person wird herbeigewünscht, nicht die Meister des Krieges selbst sollen in Särgen verschwinden; bloß ihre gefährlich dummen Ideen wollen wir zu Grabe tragen – und wollen wir andere, bessere heben, die in der Zwischenzeit verschüttgegangen sind.

Wirklich wäre es erfreulich und geboten, wenn „Masters of war“, wenn diese Hymne wieder neu aufgelegt würde - von wem auch immer - oder wenn andere, neuere Lieder in einem ähnlichen Sinn entstehen und sich durchsetzen könnten.
Ich hoffe, dass viele Menschen ihre Augen aufmachen und ihrem Gefühl vertrauen, um zu erkennen, dass die Meister des Krieges nichts weiter sind als alte Gauner in neuem Gewand, von denen man sich nichts sagen lassen darf.
Ich hoffe, die Menschen lassen sich nichts mehr einflüstern, lassen sich nicht schon wieder täuschen.
Ich hoffe, das Soldatische, das Kriegerische wird bald schon wieder abgelöst von Ideen, welche besser und wahrhaftiger sind.
Genau jetzt, zu dieser Unzeit, da das Waffengeschäft rekordmäßig floriert und die Meister des Krieges so viel blutiges Geld machen wie noch niemals zuvor.
Bloß fürchte ich, dass der Imagewechsel in die andere Richtung nicht ganz so reibungslos schnell vonstattengeht.


Nachfolgend der Originaltext von „Masters of War“:

Come, you masters of war
You that build the big guns
You that build the death planes
You that build all the bombs
You that hide behind walls
You that hide behind desks
I just want you to know
I can see through your masks

You that never done nothing
But build to destroy
You play with my world
Like it's your little toy
You put a gun in my hand
And you hide from my eyes
And you turn and run farther
When the fast bullets fly

Like Judas of old
You lie and deceive
A world war can be won
You want me to believe
But I see through your eyes
And I see through your brain
Like I see through the water
That runs down my drain

You fasten all the triggers
For the others to fire
Then you set back and watch
While the death count gets higher
You hide in your mansion
While the young people's blood
Flows out of their bodies
And is buried in the mud

You've thrown the worst fear
That can ever be hurled
Fear to bring children
Into the world
For threatening my baby
Unborn and unnamed
You ain't worth the blood
That runs in your veins

How much do I know
To talk out of turn?
You might say that I'm young
You might say I'm unlearned
But there's one thing I know
Though I'm younger than you
That even Jesus would never
Forgive what you do

Let me ask you one question
Is your money that good?
Will it buy you forgiveness?
Do you think that it could?
I think you will find
When your death takes its toll
All the money you made
Will never buy back your soul

And I hope that you die
And your death will come soon
I will follow your casket
By the pale afternoon
And I'll watch while you're lowered
Down to your deathbed
And I'll stand over your grave
'Til I'm sure that you're dead




Übersetzung:

Kommt, ihr Meister des Krieges
Ihr, die all die Waffen gebaut haben
Ihr, die die Todesflugzeuge gebaut haben
Ihr, die die großen Bomben gebaut haben
Ihr, die sich hinter den Mauern verstecken
Ihr, die sich hinter ihren Schreibtischen verstecken
Ich will nur, dass ihr wisst,
Dass ich eure Masken durschaue

Ihr, die ihr nie anderes gemacht habt
Als zu zerstören
Ihr spielt mit meiner Welt,
Als wäre sie euer kleines Spielzeug
Ihr drückt mir eine Waffe in die Hand
Und versteckt euch vor meinen Augen
Und ihr dreht euch rum und lauft weit weg
Wenn die Kugeln fliegen

Wie damals Judas
Betrügt ihr und lügt
Einen Weltkrieg kann man gewinnen
Ihr wollt, dass ich das glaube
Aber ich seh durch eure Augen
Und ich seh durch euer Gehirn
So, wie ich durch das Wasser sehen kann,
das den Abfluss hinabläuft

Ihr stellt all die Waffen auf Abzug
Und lasst andere damit feuern
Dann lehnt ihr euch zurück und schaut zu
Während die Toten immer mehr werden
Ihr versteckt euch in euren Villen
Während das Blut junger Männer
Aus ihren Körpern fließt
Und sich in den Schlamm eingräbt

Ihr habt die schlimmste Angst geschürt
Die einem zugemutet werden kann
Die Angst, Kinder in die Welt zu bringen
Ihr bedroht mein Baby
Ungeboren und namenlos
Ihr seid nicht mal das Blut wert
Das in euren Adern fließt

Was weiß ich schon
Um zur Unzeit zu sprechen?
Du könntest sagen ich bin jung
Du könntest sagen ich bin ungebildet
Aber eine Sache weiß ich
Obwohl ich jünger bin als du
Noch nicht mal Jesus würde dir vergeben
Was du getan hast

Lass mich dir eine Frage stellen
Ist dein Geld so gut?
Wird es dir Vergebung kaufen?
Denkst du das könnte es?
Ich glaube du wirst es wissen
Wenn dein Tod seinen Zoll verlangt
All das Geld, dass du gescheffelt hast
Wird dir deine Seele niemals zurückkaufen

Und ich hoffe du stirbst
Und dass dein Tod bald kommt
Ich werde deinem Sarg folgen
An einem trüben Nachmittag
Und ich werde zusehen während du hinabgelassen wirst
Hinab in dein Totenbett
Und ich werde über deinem Grab stehen
Bis ich mir sicher bin, dass du tot bist



Nachsatz:
Bob Dylan hat erst kürzlich Geburtstag gefeiert. Der Mann ist jetzt 83 Jahre alt.
Wann er selbst zuletzt „Masters of war“ gesungen, besprochen oder aufgeführt hat, ist mir nicht bekannt.
Es ist zu hoffen, dass er nochmal die Energie dafür findet, denn seine Stimme wäre gewaltig und würde etwas bedeuten.
Mehr noch hoffe ich, dass nicht auch Dylan einer derjenigen ist, die ihre Überzeugungen gegen modische Gefallsucht getauscht haben.
 
Geschickter Aufbau des langen, doch so nicht zu langen Textes: 1. Blick auf die Gegenwart, 2. Rückblick, 3. überleitend eine jüngere Rezeption des alten Songs, 4. dessen Vorstellung im Detail , 5. persönliche Schlussbemerkungen. Man kann hier sehen, wie ein sehr ausführlicher Text durch geeignete Gliederung und Steigerung gut lesbar sein kann. Es ist natürlich kein allgemeingültiges Muster, man wird sich bei jedem Thema vorher überlegen, wie man aufbaut. (Misslungene lange Texte lesen sich manchmal so, als ob nur eine Stoffsammlung mit mehr Worten ausgebreitet worden wäre.)

Es kostet mich Überwindung, nicht näher auf den Inhalt einzugehen. Einmal tu ich's doch:

Damit haben sie bewiesen, dass ihre Überzeugungen gar keine Überzeugungen waren, nur modische Spleens und Gefallsucht.
Das kam mir in letzter Zeit auch schon manchmal in den Sinn.
 
Zahlreiche Künstler haben nun ihren ehemals pazifistischen Überzeugungen abgeschworen just in dem Moment, als mit einer solchen Überzeugung Gegenwind zu erwarten war.
Das ist schon seit Corona so. Ich erinnere an die Aktion #allesdichtmachen, wo manche Künstler (hier waren es meist Schauspieler) teilweise schon am nächsten Tag zurückgerudert sind.

Gegenwind hält eben kaum noch jemand aus.

Es wird ja auch nicht mehr zugehört, wenn jemand anderer Meinung ist, sondern sich sogleich entrüstet.
Gegen die Schreihälse kommt man dann nicht an.

So wie es heute ist, kann ich sogar verstehen, dass kaum jemand für den Frieden demonstrieren geht. Etwas ändern wird er damit kaum, da müssten schon Massen auf die Straßen gehen, um Eindruck zu machen, und damit ist zurzeit nicht zu rechnen. Dafür kann man aber damit rechnen, angefeindet zu werden. Das will eben auch keiner.
 
@Franke:
Gut so! Find ich stark.


@Arno Abendschön:
Danke für die freundlich zugeneigte Analyse.


@SilberneDelfine
Ich meine, es bräuchte mutige Prominente, welche ein Vorbild abgeben, um schließlich die Massen zu mobilisieren.

Zu den Ereignissen rund um #allesdichtmachten ist mir zuletzt dieser Musik-Clip untergekommen:




Liebe Grüße an alle,

Erdling
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Dichter Erdling,

ich komme erst spät zu Deinem Text, der wieder sehr anschaulich das Thema betrachtet, das Dir - und vielen anderen - am Herzen liegt.

Ja, ich musste mich auch wundern, als Campino, der Sänger der Toten Hosen (Punk!) verlautbaren ließ, er würde es mittlerweile bedauern, nicht 'gedient' zu haben ...

... aber so ganz ohne Zwischentöne kommen wir nicht aus. Das Militärische, das Du beschreibst, ist stark entlehnt den gesellschaftlichen Zuständen zu Zeiten der Monarchien, die ihren Untergang im Ersten Weltkrieg fanden und sicher von den Traditionen her auch im Zweiten Weltkrieg noch vorhanden waren. Ein wichtiger Aspekt dieser 'Bünde' ist die Klarstellung von Gut und Böse, und dann geht es um Loyalität.

Wir leben nicht in einer Gesellschaft, die Loyalität fördert. Im Gegenteil verlangt sie Illoyalität: Ich denke an einen Fußballspieler, der ein Trinkwasserprojekt unterstützt hatte, dem aufmerksame Gruppen die Nähe zu irgendwas nicht Gutem nachgesagt hatten; er wurde aufgeordert, sich zu distanzieren, was er ablehnte, weil er von der Sache überzeugt war. Das schaukelte sich dann hoch, bis die Politk sich einschaltete und den Bundesligisten aufforderte, ihn zu entlassen - was geschah. (!)
Da sollen Freundschaften aufgegegeben werden, Distanzierungen werden täglich gefordert - was wiederum beinhaltet, individuelle, gewachsene Loyalitäten aufzukündigen. Das hat was von Pöbelherrschaft, die Anwürfe sind beliebig.
Wo soll Loyalität also herkommen?
Die heutige Vorstellung von Militär scheint tatsächlich so zu sein wie von Dir beschrieben - der persönlichen Entwicklung dienend.
Kann das jemand glauben? Ich erinnere mich noch sehr gut, als Prinz Harry zum Militär ging und ganz begeistert war von der Technik; wenn man Tod und Vernichtung mit dem Joystick erledigen kann, bekommt die Uniform keine Flecken ... wer glaubt denn sowas?
Ich denke, was da gerade geschieht, ist die Vorbereitung von langer Hand, diese 'Tugenden' wieder einzuführen. Das mag bei den alten Männern (und Frauen) der Fall sein, die entweder sich daran berauschen, dass Deutschland weder wer ist, oder die Hosen voll haben vor dem Imperialisten Putin, dem sie sonst ohnmächtig augeliefert wären, vor allem, wenn Trump wiedergewählt wird - oder beidem. Aber mit wem wollen sie das machen? Stand heute sehe ich mehr woke Selbstbezogenheit als konservative Entschlossenheit bei den Menschen!

Die vielen, vielen Lippenbekenntnisse - nicht nur bei Künstler*innen - sind genau das, was wir feststellen: Es ist billig, öffentlich die angesagte Meinung zu vertreten, und ansonsten hinterm Berg zu halten. Aber nicht nur die 'Kriegsuntüchtigkeit' der Gesellschaft steht einem neuen Militarismus im Wege.

Wir haben an den Schaltstellen - zumindest in Deutschland - zu viele politische 'Emporkömmlinge', die fachlich keine Ahnung haben. Da stellt sich eine Innenministerin hin und verkündet stolz, sie haben irgendwas um die 40 neue Hubschrauber bestellt. Na toll. Es ist kein Geheimnis, dass noch nicht einmal die Bundeswehr in der Lage ist, das Material. das sie hat, in Schuss zu halten. Da wurde alles mögliche outgesourced und wegen lean management sind die Ersatzteile gerade auf dem Dampfer und schippern ums Kap der Guten Hoffnung, weil die kürzere Suez-Route zu gefährlich ist ... und ... und ... und ...
Nein, da wird nichts zu Ende gedacht, keine Interdependenzen berücksichtigt, Schnittstellen, Konsequenzen, logischer Aufbau, solides Projektmanagament - Fehlanzeige. Das Ziel ist erfüllt, wenn die Journalisten in der Pressekonferenz ihr Zeugs einpacken.

Da finde ich gerade so schlimm, dass es nur gewollt, aber nicht gekonnt ist und jede Menge Geld verbrannt wird, das uns nicht nur den sozialen Frieden kosten könnte.
Sie mögen uns militarisieren wollen, aber zumindest in meiner Lebenszeit wird es nicht gelingen.
Wir werden trotzdem arm dabei und könnten verzweifeln.

Liebe Grüße
Petra
 

John Wein

Mitglied
The answer my friend is blowing in the wind!

Interessant, dass du die Geschichte hier in der LL mit Verve und Leidenschaft thematisierst. Viele trauen sich heutzutage nicht mehr, sich öffentlich zu dieser Thematik zu äußern oder bestimmte Dinge zu kritisieren. Du hast es emotional und sacht verpackt, um bestimmten Reflexen vorzubeugen. Schnell ist man ausgegrenzt, als was auch immer Versteher, ist man ein Schwurbler oder einfach nur bekloppt!

In der Tat gibt heute mehr Fragen als Antworten. Antworten, die man erwartet, werden in den Wind geschlagen, d.h. es gibt keine, gehn‘ sie weiter, hier gibt es nichts zu sehn‘. Ich selbst beschäftige mich damit nicht mehr ernsthaft, mein Leben ist begrenzt, schließlich habe ich 80 Jahre auf dem Buckel und alles das, was du hier darlegst, habe ich mich bereits auch oft und ohne erklärende Antwort gefragt! Es kommen mir immer nur Rechtfertigungen in den Sinn.

Frieden schaffen ohne Waffen oder Gewehre zu Pflugscharen, Losungen, die damals von den gleichen Individuen benutzt werden und die mit überwältigender Inbrunst die weiße Taube vor sich hergetragen oder an jedes Automobil gepappt haben und die heute nach Waffen und Vergeltung rufen. Wer erinnert sich nicht auch an die Klientel, die ihrem Land oft mit Tricks und Inbrunst den Dienst an der Waffe, und da ging es um Friedenssicherung und nicht um Krieg, verweigert haben. Ich selbst habe meinem Land GEDIENT. „Soldaten sind Mörder“, was für ein Blödsinn!, es wurde sogar von Gerichtswegen sanktioniert. Dieselben Leute, Scharfmacher heute, sitzen in allen Parlamenten und Redaktionen, haben bei ihren bellizistischen Aufrufen zur Vergeltung nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Schamgefühl und Skrupel werden durch Arroganz wortreich verdrängt. Sie alle wissen einfach nicht, was Krieg heute bedeutet, nämlich das Ende vom Ende! Der Krieg kommt nicht mit einem Knall, das hat die Geschichte oft genug gezeigt, er kommt mit kleinen Schritten und großen Ablenkungsmanövern.

…und noch etwas bei allem Kriegsgeheul: die Triebfedern sind umfänglicher Einfluss und süße Macht. Treibmittel ist Geld, als Entlohnung für Gefälligkeit und Unterwerfung.

Frei nach RW Fassbinder: Geld frisst Gewissen! Ich verachte Sie ohne Ausnahme, es ist meine Genugtuung! Ich grüße,

John Wein
 
Lieber John Wein!

Wenn ich die täglichen Nachrichten lese und die zunehmende Militarisierung an allen Ecken spüre, ist es mir regelrecht ein dringliches Bedürfnis, dagegen anzuschreiben.
Ob andere sich das „nicht trauen“ oder ob sie unfreiwillig stumm bleiben, wage ich nicht zu beurteilen, weil ich weiß, dass es schwierig bis unmöglich geworden ist, sich diesbezüglich zu äußern.
Ich weiß das, weil auch mir die Möglichkeiten wegbrechen, mich zu Wort zu melden. So werden Blogs abgesägt, Foren geschlossen und Texte gecancelt, wegmoderiert, gelöscht, abgelehnt.
Mehr sage ich an dieser Stelle nicht mehr, weil zu befürchten ist, dass auch dieser Text ins Abseits verschoben wird, sollte die Diskussion zu „heiß“ werden. Sowieso meine ich, ich habe im Beitrag „Masters of war“ genug gesagt.

Nur so viel will ich noch sagen:
Deine Replik hat mich gefreut und ich lese durchwegs Positives heraus.

Mit friedenssinnigem Gruß,

Erdling
 



 
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