Dichter Erdling
Mitglied
Schon erstaunlich, wie schnell das Soldatische zuletzt wieder das Image gewechselt hat.
Als Sicherheitsgaranten, Ordnungsschaffende, als Friedens- und Heilsbringer, als Helden lassen sie sich nunmehr feiern, die sie mit der Waffe in der Hand durch die Welt stolpern.
Neue Rüstungsfabriken werden gar nicht mehr zähneknirschend hingenommen, sondern fast schon herbeigesehnt und feierlich eröffnet.
Die Aufrüstung bricht alle Allzeit-Rekorde, das Geschäft mit dem Kriegsgerät floriert wie noch nie.
Im TV laufen Sendungen, die „Einblick gewähren“ in die Welt des Militärischen als ginge es um eine reizvolle Reisedoku und um ein Land, in dem man gewesen sein muss.
Wo Militärs in den Nachrichten reden – und dort reden sie schon auffallend oft - nickt man ringsum verstehend, wenn sie von Strategien und Kampfstärke philosophieren.
Direkte Werbung fürs Heer begegnet einem auch immer öfter auf den Straßen. Auf Plakaten, Werbebannern stellt man das Tötungsgeschäft als etwas Lohnendes dar. Etwas, das Karriere, Zukunft, Geld verspricht – und Ehre obendrein.
Ehre, Disziplin, Gehorsam gelten wieder was in einer Zeit, die wieder zunehmend von krisenhaftem Chaos gezeichnet ist.
Es wird gefordert, dass ganze Bevölkerungen kriegstüchtig werden, allzeit bereit für den Krieg, den Kampf, die martialische Waffengewalt. Gegen, natürlich, wieder andere Bevölkerungen, die ihrerseits zur Kriegstüchtigkeit berufen sind.
Die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete reißen auch gar nicht mehr ab. „Öl ins Feuer“ wird als ernsthafter Löschversuch etikettiert, derweil die Flammen des Krieges nur immer höher lodern.
Der Frieden kommt, wenn überhaupt, erst weit nach dem Sieg.
Vor gar nicht allzu langer Zeit war noch alles anders gewesen.
Der soldatische Kadavergehorsam und uniformierte Konformität wurden regelmäßig nur bespöttelt, etwa in Serien und Filmen.
Kritik- und gedankenloses Befehle-Befolgen war gemeinhin nichts Bewundernswertes, nur ein Witz oder ein Relikt einer irregegangenen Zeit; ebenso das herrische Getue sadistischer Befehlsgeber.
Selber denken, individuell, variantenreich und unangepasst sein, sowas galt demgegenüber als ein Ideal.
Man wusste: Neue Rüstungsfabriken bringen keine Sicherheiten und das gute Leben, sondern bringen nur viele Tode, den Tod für viele.
Wo man Militärs auf den Bildschirmen sah, war klar, dass dort, wo der Militärmensch spricht, schon einiges im Argen liegt und NICHT dachte man sich: Durch Menschen wie diesen wird am Ende alles gut.
Militärische Taktik nickte man nicht etwa ab, sondern man fragte nach einer Konfliktlösung abseits eines Schlachtfelds.
Seine Tüchtigkeit investierte man in den Frieden, um den man sich, das wusste man, bemühen muss, damit es zum Krieg nicht kommt.
Und Waffen in Kriegsgebiete: War aus gutem Grund ein vernünftiges Tabu.
Alles anders jetzt.
Dass sich die allgemeine Wahrnehmung so derart verschoben und verändert hat, ist indes kein Zufall und kein Automatismus, sondern ward uns beständig ins Hirn getröpfelt.
Ebenfalls vor gar nicht allzu langer Zeit (2013) coverte der populäre Musiker Ed Sheeran einen alten Song des musikalischen Großmeisters und Literaturnobelpreisträgers Bob Dylan:
„Masters of war“.
Dieser Song war in einer Zeit entstanden, in der das Militärische ebenso versuchte, sich als universelle Antwort zu gerieren.
Auch dieses Lied musste sich damals erst gegen einen soldatischen Zeitgeist durchsetzen und stieß zunächst schon auch auf Ablehnung – konnte sich schließlich aber durchsetzen und wurde lange Zeit als Protestsong und Anti-Kriegs-Hymne gefeiert.
2013, als Ed Sheeran auf die Idee kam, diese Hymne zu covern, war es noch ein Leichtes, mit einem solchen Thema zu gefallen, sehr im Gegensatz zur Jetzt-Zeit.
Ich weiß ja nicht, wie Sheeran heute darüber denkt und ob er es nicht vielleicht schon bereut, diesen Song in sein Repertoire aufgenommen zu haben, eben weil dieses Thema heute kein gefälliges mehr ist. Dass er das Lied zuletzt nochmal gespielt hätte, davon habe ich jedenfalls nichts gehört.
So ist das leider oft.
Zahlreiche Künstler haben nun ihren ehemals pazifistischen Überzeugungen abgeschworen just in dem Moment, als mit einer solchen Überzeugung Gegenwind zu erwarten war. Damit haben sie bewiesen, dass ihre Überzeugungen gar keine Überzeugungen waren, nur modische Spleens und Gefallsucht.
Heute sehen auch sie den Krieg vielfach als etwas Notwendiges, geben sich parteiisch-kämpferisch und haben auch sie bloß noch einen Sieg vor Augen, den Frieden nicht mehr.
Oft wird gesagt, der Titel „Masters of war“ sei ein wütendes Lied.
Es richtet sich gegen Kriegstreiberei und den Waffenhandel, gegen Rüstungsfabriken, gegen Aufrüstung, gegen Schlachtfeldlösungen.
Ich meine, dieses Treiben kann, nein, das muss doch eigentlich wütend machen. Wütend und traurig – und dann schließlich sehnsüchtig nach etwas Besserem.
Gewiss kann man darüber streiten, ob die letzte Liedstrophe nicht ein wenig zu weit geht, wenn in den Lyrics quasi der Tod der Kriegstreiber gefordert wird, aber prinzipiell hat der Song nichts an Wahrhaftigkeit eingebüßt, im Gegenteil.
Was er aussagt, ist von universeller Gültigkeit und dringend brauchen wir die Erkenntnisse aus „Masters of war“ gerade jetzt, um uns abzuwenden vom Kriegerischen, vom Martialischen und um sehnsüchtig zu werden nach dem Frieden.
Auch wenn man uns unentwegt etwas anderes weismachen will, das mit dem Krieg ist doch stets das Gleiche.
Es gibt sie immer, die Meister des Krieges, die theoretisieren und profitieren, während Menschen für ihre meist kruden Ideen sterben müssen.
Sie bauen Waffen und Bomben und verstecken sich hinter ihren Schreibtischen, schützen gute Absichten vor, welche aber gelogen sind. Aufs Schlachtfeld schicken sie andere, um ihre Interessen durchzusetzen – meist, nachdem sie selbst auf den diplomatischen Feldern versagt haben.
Das aufklärerische Moment in der ersten Strophe ist von daher wesentlich: Ich durchschaue euch, ich sehe, was hinter eurer aufgesetzten Maske ist, das sollt ihr wissen – so sprechen die Lyrics direkt zu den Schurken.
Gleich zu Beginn wird mit der Illusion gebrochen, welche die Meister des Krieges wieder und wieder erschaffen, um ihr blutiges Geschäft und ihre Interessen über alles zu stellen.
Sie zerstören und zocken mit der Welt, als wäre diese ihr Spielzeug – das kommt einem doch sehr bekannt vor, wenn man jetzt wiederholt hört, der andere würde ja doch „nur bluffen“, man müsse was riskieren, um auf dem Schlachtfeld vorwärtszukommen und zeitgleich geht es um Welt- und Atomkriege und die Weltuntergangsuhr rückt gefährlich auf Zwölf.
Die Meister des Krieges erzeugen schändliche Ängste.
Gar noch die schlimmste Angst, die es gibt, bringen sie in die Welt; nämlich die Angst, Kinder zu haben - auch davon erzählt der Dylan‘sche Text.
Um seine Kinder muss man unentwegt Angst haben im Krieg. Sind sie noch ungeboren, ist es fraglich, ob der Krieg sie nicht bereits im Mutterleib tötet; sind sie klein, sind ihre zarten Körper ganz besonders von der erbarmungslosen Kriegsfeuersbrunst bedroht; und sind sie schließlich groß, werden sie als Kanonenfutter hinfort genommen.
Kinder zu haben, das Lebendige, das hat alles keinen Sinn und keinen Wert in Anbetracht des Krieges, der Leben vor allem auslöscht.
Und umgekehrt gedacht: In Anbetracht des Lebens ist Krieg nur sinnlos und zerstörerisch.
Der Krieg verkehrt Leben und Lebensfreude ins schiere Gegenteil und der Gedanke, Kinder zu haben, macht nicht etwa Freude, sondern Angst – ein besonders hässliches Verbrechen. In jedem Krieg, immer.
Blutig ist das Geld, das mit Kriegen gemacht wird.
Ist euer Geld so gut, dass ihr euch Vergebung davon kaufen könnt? - fragt Dylan die Meister des Krieges lakonisch, um ihnen gleich drauf die Antwort zu geben:
All das Geld, dass du gescheffelt hast, wird deine Seele nicht zurückkaufen können!
Seelenlos seid ihr, sagt der den Meistern des Krieges ins Gesicht. Ganz egal, wie gut ihr euch inszeniert, an euren Händen klebt Blut.
Dylan kommt schließlich auch einem oft gebrachten Abwehrmechanismus zuvor.
Ahnungslos von der Materie sei man, kein Experte eben, so hört man es auch heute wieder, wenn man sich gegen die Meister des Krieges auflehnt. Zu jung, zu naiv… kommen die Anwürfe, sobald man das Martialische in Frage stellt.
Dabei muss man gar kein Experte sein, um das Offensichtliche sehen, das Richtige empfinden zu können.
„Was weiß ich schon
Um zur Unzeit sprechen zu dürfen?
Du könntest sagen ich bin jung
Du könntest sagen ich bin ungebildet
Aber eine Sache weiß ich
Obwohl ich jünger bin als du
Noch nicht mal Jesus würde dir vergeben
Was du getan hast“
Dylan lässt sich nicht einschüchtern von vermeintlichen Experten, die das Kriegerische als probates und profitables Mittel entdecken.
Er sagt: Wer auf sein Herz hört und die Augen aufmacht, kann gar nicht anders, als sich gegen die Meister des Krieges aufzulehnen.
So ist auch der gesamte Song eine Aufforderung:
Macht auf die Augen und hört auf euer Gefühl! Lasst euch nicht blenden und täuschen von den Meistern des Krieges, lasst euch nicht kleinmachen. Es ist immer das gleiche Spiel.
Krieg ist nicht die Lösung, ganz egal, was man euch erzählt. Immer die gleichen Märchen: Wir hier die Guten…
Steht auf gegen die Meister des Krieges!
Waffen können nicht die Lösung sein.
Sprecht jetzt, zu dieser Zeit, die sie zur Unzeit erklären, denn das ist genau jene Zeit, die euren Protest erfordert!
Die letzte Strophe lautet schließlich:
„Und ich hoffe, du stirbst
Und dass dein Tod bald kommt
Ich werde deinem Sarg folgen
An einem trüben Nachmittag
Und ich werde zusehen, während du hinuntergelassen wirst
Hinab in dein Totenbett
Und ich werde über deinem Grab stehen
Um sicherzugehen, dass du tot bist…“
So hoffe auch ich, dass die kriegerischen Ideen bald schon tot sein werden. Begraben das Kriegsbeil sechs Fuß unter der Erde mindestens und obendrüber wächst saftiges Grün.
Dieserart verstehe ich die letzte Strophe: Nicht der Tod einer Person wird herbeigewünscht, nicht die Meister des Krieges selbst sollen in Särgen verschwinden; bloß ihre gefährlich dummen Ideen wollen wir zu Grabe tragen – und wollen wir andere, bessere heben, die in der Zwischenzeit verschüttgegangen sind.
Wirklich wäre es erfreulich und geboten, wenn „Masters of war“, wenn diese Hymne wieder neu aufgelegt würde - von wem auch immer - oder wenn andere, neuere Lieder in einem ähnlichen Sinn entstehen und sich durchsetzen könnten.
Ich hoffe, dass viele Menschen ihre Augen aufmachen und ihrem Gefühl vertrauen, um zu erkennen, dass die Meister des Krieges nichts weiter sind als alte Gauner in neuem Gewand, von denen man sich nichts sagen lassen darf.
Ich hoffe, die Menschen lassen sich nichts mehr einflüstern, lassen sich nicht schon wieder täuschen.
Ich hoffe, das Soldatische, das Kriegerische wird bald schon wieder abgelöst von Ideen, welche besser und wahrhaftiger sind.
Genau jetzt, zu dieser Unzeit, da das Waffengeschäft rekordmäßig floriert und die Meister des Krieges so viel blutiges Geld machen wie noch niemals zuvor.
Bloß fürchte ich, dass der Imagewechsel in die andere Richtung nicht ganz so reibungslos schnell vonstattengeht.
Nachfolgend der Originaltext von „Masters of War“:
Come, you masters of war
You that build the big guns
You that build the death planes
You that build all the bombs
You that hide behind walls
You that hide behind desks
I just want you to know
I can see through your masks
You that never done nothing
But build to destroy
You play with my world
Like it's your little toy
You put a gun in my hand
And you hide from my eyes
And you turn and run farther
When the fast bullets fly
Like Judas of old
You lie and deceive
A world war can be won
You want me to believe
But I see through your eyes
And I see through your brain
Like I see through the water
That runs down my drain
You fasten all the triggers
For the others to fire
Then you set back and watch
While the death count gets higher
You hide in your mansion
While the young people's blood
Flows out of their bodies
And is buried in the mud
You've thrown the worst fear
That can ever be hurled
Fear to bring children
Into the world
For threatening my baby
Unborn and unnamed
You ain't worth the blood
That runs in your veins
How much do I know
To talk out of turn?
You might say that I'm young
You might say I'm unlearned
But there's one thing I know
Though I'm younger than you
That even Jesus would never
Forgive what you do
Let me ask you one question
Is your money that good?
Will it buy you forgiveness?
Do you think that it could?
I think you will find
When your death takes its toll
All the money you made
Will never buy back your soul
And I hope that you die
And your death will come soon
I will follow your casket
By the pale afternoon
And I'll watch while you're lowered
Down to your deathbed
And I'll stand over your grave
'Til I'm sure that you're dead
Übersetzung:
Kommt, ihr Meister des Krieges
Ihr, die all die Waffen gebaut haben
Ihr, die die Todesflugzeuge gebaut haben
Ihr, die die großen Bomben gebaut haben
Ihr, die sich hinter den Mauern verstecken
Ihr, die sich hinter ihren Schreibtischen verstecken
Ich will nur, dass ihr wisst,
Dass ich eure Masken durschaue
Ihr, die ihr nie anderes gemacht habt
Als zu zerstören
Ihr spielt mit meiner Welt,
Als wäre sie euer kleines Spielzeug
Ihr drückt mir eine Waffe in die Hand
Und versteckt euch vor meinen Augen
Und ihr dreht euch rum und lauft weit weg
Wenn die Kugeln fliegen
Wie damals Judas
Betrügt ihr und lügt
Einen Weltkrieg kann man gewinnen
Ihr wollt, dass ich das glaube
Aber ich seh durch eure Augen
Und ich seh durch euer Gehirn
So, wie ich durch das Wasser sehen kann,
das den Abfluss hinabläuft
Ihr stellt all die Waffen auf Abzug
Und lasst andere damit feuern
Dann lehnt ihr euch zurück und schaut zu
Während die Toten immer mehr werden
Ihr versteckt euch in euren Villen
Während das Blut junger Männer
Aus ihren Körpern fließt
Und sich in den Schlamm eingräbt
Ihr habt die schlimmste Angst geschürt
Die einem zugemutet werden kann
Die Angst, Kinder in die Welt zu bringen
Ihr bedroht mein Baby
Ungeboren und namenlos
Ihr seid nicht mal das Blut wert
Das in euren Adern fließt
Was weiß ich schon
Um zur Unzeit zu sprechen?
Du könntest sagen ich bin jung
Du könntest sagen ich bin ungebildet
Aber eine Sache weiß ich
Obwohl ich jünger bin als du
Noch nicht mal Jesus würde dir vergeben
Was du getan hast
Lass mich dir eine Frage stellen
Ist dein Geld so gut?
Wird es dir Vergebung kaufen?
Denkst du das könnte es?
Ich glaube du wirst es wissen
Wenn dein Tod seinen Zoll verlangt
All das Geld, dass du gescheffelt hast
Wird dir deine Seele niemals zurückkaufen
Und ich hoffe du stirbst
Und dass dein Tod bald kommt
Ich werde deinem Sarg folgen
An einem trüben Nachmittag
Und ich werde zusehen während du hinabgelassen wirst
Hinab in dein Totenbett
Und ich werde über deinem Grab stehen
Bis ich mir sicher bin, dass du tot bist
Nachsatz:
Bob Dylan hat erst kürzlich Geburtstag gefeiert. Der Mann ist jetzt 83 Jahre alt.
Wann er selbst zuletzt „Masters of war“ gesungen, besprochen oder aufgeführt hat, ist mir nicht bekannt.
Es ist zu hoffen, dass er nochmal die Energie dafür findet, denn seine Stimme wäre gewaltig und würde etwas bedeuten.
Mehr noch hoffe ich, dass nicht auch Dylan einer derjenigen ist, die ihre Überzeugungen gegen modische Gefallsucht getauscht haben.
Als Sicherheitsgaranten, Ordnungsschaffende, als Friedens- und Heilsbringer, als Helden lassen sie sich nunmehr feiern, die sie mit der Waffe in der Hand durch die Welt stolpern.
Neue Rüstungsfabriken werden gar nicht mehr zähneknirschend hingenommen, sondern fast schon herbeigesehnt und feierlich eröffnet.
Die Aufrüstung bricht alle Allzeit-Rekorde, das Geschäft mit dem Kriegsgerät floriert wie noch nie.
Im TV laufen Sendungen, die „Einblick gewähren“ in die Welt des Militärischen als ginge es um eine reizvolle Reisedoku und um ein Land, in dem man gewesen sein muss.
Wo Militärs in den Nachrichten reden – und dort reden sie schon auffallend oft - nickt man ringsum verstehend, wenn sie von Strategien und Kampfstärke philosophieren.
Direkte Werbung fürs Heer begegnet einem auch immer öfter auf den Straßen. Auf Plakaten, Werbebannern stellt man das Tötungsgeschäft als etwas Lohnendes dar. Etwas, das Karriere, Zukunft, Geld verspricht – und Ehre obendrein.
Ehre, Disziplin, Gehorsam gelten wieder was in einer Zeit, die wieder zunehmend von krisenhaftem Chaos gezeichnet ist.
Es wird gefordert, dass ganze Bevölkerungen kriegstüchtig werden, allzeit bereit für den Krieg, den Kampf, die martialische Waffengewalt. Gegen, natürlich, wieder andere Bevölkerungen, die ihrerseits zur Kriegstüchtigkeit berufen sind.
Die Waffenlieferungen in Kriegsgebiete reißen auch gar nicht mehr ab. „Öl ins Feuer“ wird als ernsthafter Löschversuch etikettiert, derweil die Flammen des Krieges nur immer höher lodern.
Der Frieden kommt, wenn überhaupt, erst weit nach dem Sieg.
Vor gar nicht allzu langer Zeit war noch alles anders gewesen.
Der soldatische Kadavergehorsam und uniformierte Konformität wurden regelmäßig nur bespöttelt, etwa in Serien und Filmen.
Kritik- und gedankenloses Befehle-Befolgen war gemeinhin nichts Bewundernswertes, nur ein Witz oder ein Relikt einer irregegangenen Zeit; ebenso das herrische Getue sadistischer Befehlsgeber.
Selber denken, individuell, variantenreich und unangepasst sein, sowas galt demgegenüber als ein Ideal.
Man wusste: Neue Rüstungsfabriken bringen keine Sicherheiten und das gute Leben, sondern bringen nur viele Tode, den Tod für viele.
Wo man Militärs auf den Bildschirmen sah, war klar, dass dort, wo der Militärmensch spricht, schon einiges im Argen liegt und NICHT dachte man sich: Durch Menschen wie diesen wird am Ende alles gut.
Militärische Taktik nickte man nicht etwa ab, sondern man fragte nach einer Konfliktlösung abseits eines Schlachtfelds.
Seine Tüchtigkeit investierte man in den Frieden, um den man sich, das wusste man, bemühen muss, damit es zum Krieg nicht kommt.
Und Waffen in Kriegsgebiete: War aus gutem Grund ein vernünftiges Tabu.
Alles anders jetzt.
Dass sich die allgemeine Wahrnehmung so derart verschoben und verändert hat, ist indes kein Zufall und kein Automatismus, sondern ward uns beständig ins Hirn getröpfelt.
Ebenfalls vor gar nicht allzu langer Zeit (2013) coverte der populäre Musiker Ed Sheeran einen alten Song des musikalischen Großmeisters und Literaturnobelpreisträgers Bob Dylan:
„Masters of war“.
Dieser Song war in einer Zeit entstanden, in der das Militärische ebenso versuchte, sich als universelle Antwort zu gerieren.
Auch dieses Lied musste sich damals erst gegen einen soldatischen Zeitgeist durchsetzen und stieß zunächst schon auch auf Ablehnung – konnte sich schließlich aber durchsetzen und wurde lange Zeit als Protestsong und Anti-Kriegs-Hymne gefeiert.
2013, als Ed Sheeran auf die Idee kam, diese Hymne zu covern, war es noch ein Leichtes, mit einem solchen Thema zu gefallen, sehr im Gegensatz zur Jetzt-Zeit.
Ich weiß ja nicht, wie Sheeran heute darüber denkt und ob er es nicht vielleicht schon bereut, diesen Song in sein Repertoire aufgenommen zu haben, eben weil dieses Thema heute kein gefälliges mehr ist. Dass er das Lied zuletzt nochmal gespielt hätte, davon habe ich jedenfalls nichts gehört.
So ist das leider oft.
Zahlreiche Künstler haben nun ihren ehemals pazifistischen Überzeugungen abgeschworen just in dem Moment, als mit einer solchen Überzeugung Gegenwind zu erwarten war. Damit haben sie bewiesen, dass ihre Überzeugungen gar keine Überzeugungen waren, nur modische Spleens und Gefallsucht.
Heute sehen auch sie den Krieg vielfach als etwas Notwendiges, geben sich parteiisch-kämpferisch und haben auch sie bloß noch einen Sieg vor Augen, den Frieden nicht mehr.
Oft wird gesagt, der Titel „Masters of war“ sei ein wütendes Lied.
Es richtet sich gegen Kriegstreiberei und den Waffenhandel, gegen Rüstungsfabriken, gegen Aufrüstung, gegen Schlachtfeldlösungen.
Ich meine, dieses Treiben kann, nein, das muss doch eigentlich wütend machen. Wütend und traurig – und dann schließlich sehnsüchtig nach etwas Besserem.
Gewiss kann man darüber streiten, ob die letzte Liedstrophe nicht ein wenig zu weit geht, wenn in den Lyrics quasi der Tod der Kriegstreiber gefordert wird, aber prinzipiell hat der Song nichts an Wahrhaftigkeit eingebüßt, im Gegenteil.
Was er aussagt, ist von universeller Gültigkeit und dringend brauchen wir die Erkenntnisse aus „Masters of war“ gerade jetzt, um uns abzuwenden vom Kriegerischen, vom Martialischen und um sehnsüchtig zu werden nach dem Frieden.
Auch wenn man uns unentwegt etwas anderes weismachen will, das mit dem Krieg ist doch stets das Gleiche.
Es gibt sie immer, die Meister des Krieges, die theoretisieren und profitieren, während Menschen für ihre meist kruden Ideen sterben müssen.
Sie bauen Waffen und Bomben und verstecken sich hinter ihren Schreibtischen, schützen gute Absichten vor, welche aber gelogen sind. Aufs Schlachtfeld schicken sie andere, um ihre Interessen durchzusetzen – meist, nachdem sie selbst auf den diplomatischen Feldern versagt haben.
Das aufklärerische Moment in der ersten Strophe ist von daher wesentlich: Ich durchschaue euch, ich sehe, was hinter eurer aufgesetzten Maske ist, das sollt ihr wissen – so sprechen die Lyrics direkt zu den Schurken.
Gleich zu Beginn wird mit der Illusion gebrochen, welche die Meister des Krieges wieder und wieder erschaffen, um ihr blutiges Geschäft und ihre Interessen über alles zu stellen.
Sie zerstören und zocken mit der Welt, als wäre diese ihr Spielzeug – das kommt einem doch sehr bekannt vor, wenn man jetzt wiederholt hört, der andere würde ja doch „nur bluffen“, man müsse was riskieren, um auf dem Schlachtfeld vorwärtszukommen und zeitgleich geht es um Welt- und Atomkriege und die Weltuntergangsuhr rückt gefährlich auf Zwölf.
Die Meister des Krieges erzeugen schändliche Ängste.
Gar noch die schlimmste Angst, die es gibt, bringen sie in die Welt; nämlich die Angst, Kinder zu haben - auch davon erzählt der Dylan‘sche Text.
Um seine Kinder muss man unentwegt Angst haben im Krieg. Sind sie noch ungeboren, ist es fraglich, ob der Krieg sie nicht bereits im Mutterleib tötet; sind sie klein, sind ihre zarten Körper ganz besonders von der erbarmungslosen Kriegsfeuersbrunst bedroht; und sind sie schließlich groß, werden sie als Kanonenfutter hinfort genommen.
Kinder zu haben, das Lebendige, das hat alles keinen Sinn und keinen Wert in Anbetracht des Krieges, der Leben vor allem auslöscht.
Und umgekehrt gedacht: In Anbetracht des Lebens ist Krieg nur sinnlos und zerstörerisch.
Der Krieg verkehrt Leben und Lebensfreude ins schiere Gegenteil und der Gedanke, Kinder zu haben, macht nicht etwa Freude, sondern Angst – ein besonders hässliches Verbrechen. In jedem Krieg, immer.
Blutig ist das Geld, das mit Kriegen gemacht wird.
Ist euer Geld so gut, dass ihr euch Vergebung davon kaufen könnt? - fragt Dylan die Meister des Krieges lakonisch, um ihnen gleich drauf die Antwort zu geben:
All das Geld, dass du gescheffelt hast, wird deine Seele nicht zurückkaufen können!
Seelenlos seid ihr, sagt der den Meistern des Krieges ins Gesicht. Ganz egal, wie gut ihr euch inszeniert, an euren Händen klebt Blut.
Dylan kommt schließlich auch einem oft gebrachten Abwehrmechanismus zuvor.
Ahnungslos von der Materie sei man, kein Experte eben, so hört man es auch heute wieder, wenn man sich gegen die Meister des Krieges auflehnt. Zu jung, zu naiv… kommen die Anwürfe, sobald man das Martialische in Frage stellt.
Dabei muss man gar kein Experte sein, um das Offensichtliche sehen, das Richtige empfinden zu können.
„Was weiß ich schon
Um zur Unzeit sprechen zu dürfen?
Du könntest sagen ich bin jung
Du könntest sagen ich bin ungebildet
Aber eine Sache weiß ich
Obwohl ich jünger bin als du
Noch nicht mal Jesus würde dir vergeben
Was du getan hast“
Dylan lässt sich nicht einschüchtern von vermeintlichen Experten, die das Kriegerische als probates und profitables Mittel entdecken.
Er sagt: Wer auf sein Herz hört und die Augen aufmacht, kann gar nicht anders, als sich gegen die Meister des Krieges aufzulehnen.
So ist auch der gesamte Song eine Aufforderung:
Macht auf die Augen und hört auf euer Gefühl! Lasst euch nicht blenden und täuschen von den Meistern des Krieges, lasst euch nicht kleinmachen. Es ist immer das gleiche Spiel.
Krieg ist nicht die Lösung, ganz egal, was man euch erzählt. Immer die gleichen Märchen: Wir hier die Guten…
Steht auf gegen die Meister des Krieges!
Waffen können nicht die Lösung sein.
Sprecht jetzt, zu dieser Zeit, die sie zur Unzeit erklären, denn das ist genau jene Zeit, die euren Protest erfordert!
Die letzte Strophe lautet schließlich:
„Und ich hoffe, du stirbst
Und dass dein Tod bald kommt
Ich werde deinem Sarg folgen
An einem trüben Nachmittag
Und ich werde zusehen, während du hinuntergelassen wirst
Hinab in dein Totenbett
Und ich werde über deinem Grab stehen
Um sicherzugehen, dass du tot bist…“
So hoffe auch ich, dass die kriegerischen Ideen bald schon tot sein werden. Begraben das Kriegsbeil sechs Fuß unter der Erde mindestens und obendrüber wächst saftiges Grün.
Dieserart verstehe ich die letzte Strophe: Nicht der Tod einer Person wird herbeigewünscht, nicht die Meister des Krieges selbst sollen in Särgen verschwinden; bloß ihre gefährlich dummen Ideen wollen wir zu Grabe tragen – und wollen wir andere, bessere heben, die in der Zwischenzeit verschüttgegangen sind.
Wirklich wäre es erfreulich und geboten, wenn „Masters of war“, wenn diese Hymne wieder neu aufgelegt würde - von wem auch immer - oder wenn andere, neuere Lieder in einem ähnlichen Sinn entstehen und sich durchsetzen könnten.
Ich hoffe, dass viele Menschen ihre Augen aufmachen und ihrem Gefühl vertrauen, um zu erkennen, dass die Meister des Krieges nichts weiter sind als alte Gauner in neuem Gewand, von denen man sich nichts sagen lassen darf.
Ich hoffe, die Menschen lassen sich nichts mehr einflüstern, lassen sich nicht schon wieder täuschen.
Ich hoffe, das Soldatische, das Kriegerische wird bald schon wieder abgelöst von Ideen, welche besser und wahrhaftiger sind.
Genau jetzt, zu dieser Unzeit, da das Waffengeschäft rekordmäßig floriert und die Meister des Krieges so viel blutiges Geld machen wie noch niemals zuvor.
Bloß fürchte ich, dass der Imagewechsel in die andere Richtung nicht ganz so reibungslos schnell vonstattengeht.
Nachfolgend der Originaltext von „Masters of War“:
Come, you masters of war
You that build the big guns
You that build the death planes
You that build all the bombs
You that hide behind walls
You that hide behind desks
I just want you to know
I can see through your masks
You that never done nothing
But build to destroy
You play with my world
Like it's your little toy
You put a gun in my hand
And you hide from my eyes
And you turn and run farther
When the fast bullets fly
Like Judas of old
You lie and deceive
A world war can be won
You want me to believe
But I see through your eyes
And I see through your brain
Like I see through the water
That runs down my drain
You fasten all the triggers
For the others to fire
Then you set back and watch
While the death count gets higher
You hide in your mansion
While the young people's blood
Flows out of their bodies
And is buried in the mud
You've thrown the worst fear
That can ever be hurled
Fear to bring children
Into the world
For threatening my baby
Unborn and unnamed
You ain't worth the blood
That runs in your veins
How much do I know
To talk out of turn?
You might say that I'm young
You might say I'm unlearned
But there's one thing I know
Though I'm younger than you
That even Jesus would never
Forgive what you do
Let me ask you one question
Is your money that good?
Will it buy you forgiveness?
Do you think that it could?
I think you will find
When your death takes its toll
All the money you made
Will never buy back your soul
And I hope that you die
And your death will come soon
I will follow your casket
By the pale afternoon
And I'll watch while you're lowered
Down to your deathbed
And I'll stand over your grave
'Til I'm sure that you're dead
Übersetzung:
Kommt, ihr Meister des Krieges
Ihr, die all die Waffen gebaut haben
Ihr, die die Todesflugzeuge gebaut haben
Ihr, die die großen Bomben gebaut haben
Ihr, die sich hinter den Mauern verstecken
Ihr, die sich hinter ihren Schreibtischen verstecken
Ich will nur, dass ihr wisst,
Dass ich eure Masken durschaue
Ihr, die ihr nie anderes gemacht habt
Als zu zerstören
Ihr spielt mit meiner Welt,
Als wäre sie euer kleines Spielzeug
Ihr drückt mir eine Waffe in die Hand
Und versteckt euch vor meinen Augen
Und ihr dreht euch rum und lauft weit weg
Wenn die Kugeln fliegen
Wie damals Judas
Betrügt ihr und lügt
Einen Weltkrieg kann man gewinnen
Ihr wollt, dass ich das glaube
Aber ich seh durch eure Augen
Und ich seh durch euer Gehirn
So, wie ich durch das Wasser sehen kann,
das den Abfluss hinabläuft
Ihr stellt all die Waffen auf Abzug
Und lasst andere damit feuern
Dann lehnt ihr euch zurück und schaut zu
Während die Toten immer mehr werden
Ihr versteckt euch in euren Villen
Während das Blut junger Männer
Aus ihren Körpern fließt
Und sich in den Schlamm eingräbt
Ihr habt die schlimmste Angst geschürt
Die einem zugemutet werden kann
Die Angst, Kinder in die Welt zu bringen
Ihr bedroht mein Baby
Ungeboren und namenlos
Ihr seid nicht mal das Blut wert
Das in euren Adern fließt
Was weiß ich schon
Um zur Unzeit zu sprechen?
Du könntest sagen ich bin jung
Du könntest sagen ich bin ungebildet
Aber eine Sache weiß ich
Obwohl ich jünger bin als du
Noch nicht mal Jesus würde dir vergeben
Was du getan hast
Lass mich dir eine Frage stellen
Ist dein Geld so gut?
Wird es dir Vergebung kaufen?
Denkst du das könnte es?
Ich glaube du wirst es wissen
Wenn dein Tod seinen Zoll verlangt
All das Geld, dass du gescheffelt hast
Wird dir deine Seele niemals zurückkaufen
Und ich hoffe du stirbst
Und dass dein Tod bald kommt
Ich werde deinem Sarg folgen
An einem trüben Nachmittag
Und ich werde zusehen während du hinabgelassen wirst
Hinab in dein Totenbett
Und ich werde über deinem Grab stehen
Bis ich mir sicher bin, dass du tot bist
Nachsatz:
Bob Dylan hat erst kürzlich Geburtstag gefeiert. Der Mann ist jetzt 83 Jahre alt.
Wann er selbst zuletzt „Masters of war“ gesungen, besprochen oder aufgeführt hat, ist mir nicht bekannt.
Es ist zu hoffen, dass er nochmal die Energie dafür findet, denn seine Stimme wäre gewaltig und würde etwas bedeuten.
Mehr noch hoffe ich, dass nicht auch Dylan einer derjenigen ist, die ihre Überzeugungen gegen modische Gefallsucht getauscht haben.