Seufzender Stein
Mitglied
Du sitzt im Zug und dir ist schlecht von dem scheiß hin- und hergeschaukel.
Vor dir sitzt einer, aber du kannst sein Gesicht nicht sehen, nur den grauen Schimmelflaum an Resthaaren, die von seiner Glatze stehen, und wie er sich mit seinen hässlichen Wurstfingern eitergelbe Schleimklumpen aus der Nase fischt und sich in den Mund schiebt und frisst. Kurz überlegst du, ob du das auch mal probieren solltest, nur um zu wissen, warum er das macht, aber die Alte, welche in der Reihe gegenüber sitzt und ihre nackten Füße mit den dunkelviolett lackierten Zehennägeln gegen den Sitz drückt, schreit ‚Freaky Friday‘ in ihr Telefon, und du fragst dich, warum sie so etwas sagt, wenn doch erst Mittwoch ist.
Draußen hinter dem Fenster ist es grau, wir haben Herbst das ganze Jahr, vielleicht hatte die letzte Generation doch Recht. Irgendwie ist dir schon den ganzen Tag schwindlig, manchmal fühlst du dich, als wärst du gar nicht da, sondern nur ein Gefäß, ein Fass ohne Boden, durch welches Bilder und Geräusche, Emotionen und Eindrücke einfach hindurchsickern. Dann furzt der Rotzfresser vor dir, hebt seinen Arsch vom Sitz und gafft nach draußen, weil da zwei türkische Mädchen am Bahnsteig stehen. Du musst bei der nächsten Haltestelle raus, und als du aufstehst, schlägt dein Knie gegen den Vordersitz, der Rotzfresser erschrickt und checkt endlich, dass er nicht alleine auf der Welt ist. Die mit den violetten Zehennägeln muss auch raus und hat drei Koffer dabei, sie fragt dich, eigentlich befiehlt sie dir, dass du ihr hilfst, ihre Koffer nach draußen zu bringen. Du sagst Ja, weil‘s eh schon egal ist, nimmst einen ihrer Koffer und gehst zur Tür. Der Zug bleibt steh‘n, die Tür geht auf, du steigst aus. Zwischen dir und ihr ist eine kleine Gruppe von Rentnern, die versuchen, mit ihren weißen Sneakers, Palmen bedruckten Hemden und Baseballcaps den Tod zu bekämpfen. Du stellst den Koffer ab und dann ziehst du ihn hinter dir her in Richtung Treppe, sie denkt wahrscheinlich, du wartest dort auf sie, um niemandem im Weg zu stehen, vielleicht aber hat sie es auch gar nicht bemerkt. An der Treppe bleibst du aber nicht stehen, du gehst mit dem Koffer, ummantelt von einem Schutzwall aus Fremden nach unten zur nächsten Toilette, schließt dich ein und öffnest ihr Gepäck. Eigentlich nur Schrott drin, bis auf ein neongrünes Kleid, welches du gemeinsam mit ihrem violetten Nagellack in deine Tasche steckst, den restlichen Inhalt des Koffers, welchen du wie Rosenblüten über den toten Fliesenboden verstreut hast, lässt du einfach zurück.
Als du bei deinem Kumpel bist, ist der Nagellack auf deinen Fingern schon trocken, auf dem Weg zu ihm fiel dir auf, dass du in einem Pensionisten-Aquarium lebst. Während du mit einer Buggun Salz auf die Wespen, welche unter den Holzdielen neben seinem Pool herauskriechen, feuerst, versucht er sie mit einem Wasserschlauch zu ertränken. Dabei erzählt er dir, dass er sich in eine verheiratete Frau verliebt hat, du sagst ihm er sei ein Idiot, und fragst dich gleichzeitig, warum er sich nicht in dich verliebt hat. Auf die Frage, ob er sie schon gevögelt hat, sagt er noch nicht, dabei weicht er deinem Blick aus.
Das erste Mal seit gefühlten drei Jahren schleppt sich die Sonne hinter den Wolken vorbei und brennt dir in den Nacken, es stresst dich, aber du hast ja die Möglichkeit, in den Pool zu springen und kannst danach noch immer in das fremde Kleid eintauchen. Die Wespen krabbeln weiter aus ihrem Nest hervor und krepieren langsam vor euren Augen, und er sagt, er sei einfach zu feige.
Du sagst darauf nichts und ballerst eine Ladung Salz auf eine verreckende Wespe und er erzählt dir, manchmal käme es ihm so vor, als würde er sich absichtlich immer Frauen aussuchen, bei denen er keine Chance hätte. Ab und zu hat er sich sogar schon gefragt, ob er schwul wäre.
Mit deinen violett lackierten Fingern fährst du über die Innenseite seines Armes und umschließt dann seine Hand. Seine Hand ist leicht verschwitzt, rauh, und seine Finger greifen ängstlich zu. Die Sonne verpisst sich wieder hinter den Wolken, gönnt euch den Moment, das Wasser aus dem Schlauch rinnt auf den Boden und eure Füße werden nass, du lässt die Buggun fallen und fragst ihn:
„Hast du es denn schon mal mit einem Mann probiert?“
Vor dir sitzt einer, aber du kannst sein Gesicht nicht sehen, nur den grauen Schimmelflaum an Resthaaren, die von seiner Glatze stehen, und wie er sich mit seinen hässlichen Wurstfingern eitergelbe Schleimklumpen aus der Nase fischt und sich in den Mund schiebt und frisst. Kurz überlegst du, ob du das auch mal probieren solltest, nur um zu wissen, warum er das macht, aber die Alte, welche in der Reihe gegenüber sitzt und ihre nackten Füße mit den dunkelviolett lackierten Zehennägeln gegen den Sitz drückt, schreit ‚Freaky Friday‘ in ihr Telefon, und du fragst dich, warum sie so etwas sagt, wenn doch erst Mittwoch ist.
Draußen hinter dem Fenster ist es grau, wir haben Herbst das ganze Jahr, vielleicht hatte die letzte Generation doch Recht. Irgendwie ist dir schon den ganzen Tag schwindlig, manchmal fühlst du dich, als wärst du gar nicht da, sondern nur ein Gefäß, ein Fass ohne Boden, durch welches Bilder und Geräusche, Emotionen und Eindrücke einfach hindurchsickern. Dann furzt der Rotzfresser vor dir, hebt seinen Arsch vom Sitz und gafft nach draußen, weil da zwei türkische Mädchen am Bahnsteig stehen. Du musst bei der nächsten Haltestelle raus, und als du aufstehst, schlägt dein Knie gegen den Vordersitz, der Rotzfresser erschrickt und checkt endlich, dass er nicht alleine auf der Welt ist. Die mit den violetten Zehennägeln muss auch raus und hat drei Koffer dabei, sie fragt dich, eigentlich befiehlt sie dir, dass du ihr hilfst, ihre Koffer nach draußen zu bringen. Du sagst Ja, weil‘s eh schon egal ist, nimmst einen ihrer Koffer und gehst zur Tür. Der Zug bleibt steh‘n, die Tür geht auf, du steigst aus. Zwischen dir und ihr ist eine kleine Gruppe von Rentnern, die versuchen, mit ihren weißen Sneakers, Palmen bedruckten Hemden und Baseballcaps den Tod zu bekämpfen. Du stellst den Koffer ab und dann ziehst du ihn hinter dir her in Richtung Treppe, sie denkt wahrscheinlich, du wartest dort auf sie, um niemandem im Weg zu stehen, vielleicht aber hat sie es auch gar nicht bemerkt. An der Treppe bleibst du aber nicht stehen, du gehst mit dem Koffer, ummantelt von einem Schutzwall aus Fremden nach unten zur nächsten Toilette, schließt dich ein und öffnest ihr Gepäck. Eigentlich nur Schrott drin, bis auf ein neongrünes Kleid, welches du gemeinsam mit ihrem violetten Nagellack in deine Tasche steckst, den restlichen Inhalt des Koffers, welchen du wie Rosenblüten über den toten Fliesenboden verstreut hast, lässt du einfach zurück.
Als du bei deinem Kumpel bist, ist der Nagellack auf deinen Fingern schon trocken, auf dem Weg zu ihm fiel dir auf, dass du in einem Pensionisten-Aquarium lebst. Während du mit einer Buggun Salz auf die Wespen, welche unter den Holzdielen neben seinem Pool herauskriechen, feuerst, versucht er sie mit einem Wasserschlauch zu ertränken. Dabei erzählt er dir, dass er sich in eine verheiratete Frau verliebt hat, du sagst ihm er sei ein Idiot, und fragst dich gleichzeitig, warum er sich nicht in dich verliebt hat. Auf die Frage, ob er sie schon gevögelt hat, sagt er noch nicht, dabei weicht er deinem Blick aus.
Das erste Mal seit gefühlten drei Jahren schleppt sich die Sonne hinter den Wolken vorbei und brennt dir in den Nacken, es stresst dich, aber du hast ja die Möglichkeit, in den Pool zu springen und kannst danach noch immer in das fremde Kleid eintauchen. Die Wespen krabbeln weiter aus ihrem Nest hervor und krepieren langsam vor euren Augen, und er sagt, er sei einfach zu feige.
Du sagst darauf nichts und ballerst eine Ladung Salz auf eine verreckende Wespe und er erzählt dir, manchmal käme es ihm so vor, als würde er sich absichtlich immer Frauen aussuchen, bei denen er keine Chance hätte. Ab und zu hat er sich sogar schon gefragt, ob er schwul wäre.
Mit deinen violett lackierten Fingern fährst du über die Innenseite seines Armes und umschließt dann seine Hand. Seine Hand ist leicht verschwitzt, rauh, und seine Finger greifen ängstlich zu. Die Sonne verpisst sich wieder hinter den Wolken, gönnt euch den Moment, das Wasser aus dem Schlauch rinnt auf den Boden und eure Füße werden nass, du lässt die Buggun fallen und fragst ihn:
„Hast du es denn schon mal mit einem Mann probiert?“