Fetisch Leder erklären

Papiertiger

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Ein Sonnenuntergang, und dann noch gesteigert, ein Sonnenuntergang am Meer an einem lauwarmen, schönen Sommerabend, der einen Tag abrundet, an dem keine Sorgen und unangenehmen Pflichten präsent waren, sondern nur pures, reines Glück vorherrschte. Das ist ein schöner Anblick und dieses zutiefst beglückende Gefühl kann wahrscheinlich nahezu jeder Mensch verstehen und teilen, ohne das es weitschweifig erklärt werden müsste. Mit dem Fetisch für Leder hingegen scheint mir das nicht so simpel zu sein. Leder kann negativ assoziiert werden, etwa ledrige Gesichtshaut oder Veganer, die bei diesem Stoff vor allem daran denken, dass es die Haut einer toten Kuh ist. Dann gibt es Lederwesten für fiese Rockerbanden, den lächerlichen Einsatz von Lederkleidung etwa bei der Musikgruppe Village People. Bei Leder kann ein zu viel oder auch die Färbung, etwa in grüne Lederjacken oder lächerlich knarzendes Leder total abturnen. Und für korpulente Menschen wirkt Leder schnell sehr unvorteilhaft für die eigene Figur. Schwarzes Leder wirkt also nicht zu dominant und streng, es züchtigt und demütigt noch dazu seine Träger. Ein faszinierendes Material! Oder kann eine Cordhose oder eine Jeans ein ähnlich breites Spektrum abdecken?

Ich jedenfalls erliege immer wieder auf geradezu magische Weise dem Reiz von Leder. Wenn ich eine Frau sehe, die ganz rational betrachtet ganz okay oder auch eher wie eine graue Maus aussieht und dann sehe ich dieselbe Person in einer engen, schwarzen Lederhose, dann kann ich nur unter größter Willenskraft meinen Blick abwenden. Besonders tragisch wird es, wenn für mein Alter eigentlich viel zu junge Frauen Leder tragen, weil ich dann um so mehr nach einer Person sehne, die wohl für immer unerreichbar bleibt. Manchmal sind es auch noch gerade die Frauen, die kurze Lederröcke und ähnlich geile Kleidung tragen, die eher dem Tussi-Typ entsprechen, die sehr materiell fixiert sind und gerne wollen, dass sie selbst viel Geld ausgegeben können und das ihnen ein luxuriöser Lebensstil geboten wird. Mir wäre eine Frau als Partnerin deutlich lieber, mit der ich gemeinsam ein Leben aufbauen kann ohne in üble Schulden zu versinken und mit der ich nach dem Sex Gespräche führen kann, die uns beide geistig fordern. Und dann denke ich: ist eine gegerbte Kuh all diese Opfer wirklich wert?

Aber für mich ist Leder wie ein Sonnenuntergang. Es wird immer da und immer faszinierend schön sein. Und für dauerhafte Herausforderungen braucht es eine dauerhafte Lösung. Wenn ich also nicht dauerhaft gelähmt vor einer hübschen Frau in Leder verharren will wie ein Kaninchen vor einer Schlange, muss ich lernen besser damit umzugehen. Und kurz bekomme ich eine Idee dafür, warum in einigen islamischen Ländern Frauen verhüllt werden oder wieso es in Großbritannien Schuluniformen gibt: das Ausblenden aller sexuellen Reize erspart den Menschen die Auseinandersetzung mit dem Thema Triebbeherrschung. Aber will ich in so einer Gesellschaft leben? Tatsächlich würde es aber schon helfen, wenn unsere Welt Sex nicht so übertrieben stark als Ware anpreisen würde. Werbung, Instagram, Filme und Fernsehen, Musikvideos – überall sex sells. Das mag allerdings auch eine selektive Wahrnehmung sein. Eine Schwangere sieht vermeintlich überall nur noch Schwangere, ein Alkoholiker denkt ständig an und sieht überall seinen Suchtstoff.

Braucht die Welt eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die übertrieben stark von Lack, Leder und Latex erregt werden? Und wären bei deren Treffen Ledercouch und Gürtel und Schuhe nur aus unverdächtigen Materialien erlaubt? Und gäbe es da ein Tabu für schlechte Leder-Gags wie „See you leder Alligator“? Reicht es als Therapie möglichst oft Menschen wie etwa Angela Merkel in einer Fotomontage im Ledermini zu sehen, um sich den Reiz abzugewöhnen? Würden Soziologen und übereifrige Twitter-Nutzen augenblicklich die widerwärtige Frauenverachtung anprangern, wenn man Frauen ein schlechtes Gewissen für ihre Kleiderwahl einzureden versuche? Aber ist es nicht eher so, dass auch Männer in Leder attraktiver wirken? Also Männer wie Ryan Gosling oder der junge Harrison Ford und selbstverständlich nicht die Gestapo, um dieses Fettnäpfchen schon mal vorab zu entschärfen. Ich denke, nun habe ich genug für heute auf dem Thema herum gekaut. Was meinen Sie, liebe Leserinnen und Leser ist eine Vorliebe für hübsche Menschen in Leder eher creepy oder das Natürlichste der Welt? Gibt Leder nicht nur dem Körper des Motorradfahrers, sondern auch unserem Sexleben mehr Halt und Pepp?
 



 
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