endliches Sonett

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Johnson

Mitglied
Der erste Satz ist grammatikalisch fragwürdig und auch inhaltlich unverständlich. Es scheint, als ob etwas nicht mehr in der Lage ist, einem Engel, der an einem Eisentor steht (vermutlich das Tor zum Himmel), in die Augen zu sehen. Aber der Engel schaut nur in sich selbst hinein? Dann geht der Engel weiter, bleibt stehen und niest. Dabei niest er auf "ihren" Mottenmantel. Plötzlich wird es also weiblich, in irgendeiner Weise auf den Tod zugehend. Eine sinnlose Metapher für was auch immer. Dann wollen plötzlich irgendwelche Beine nicht mehr stehen??? Und ohne (welchen Schaden) lässt sie (wieder diese Sie) eine Blechkanne zurück. Was soll diese Blechkanne jetzt wieder bedeuten? Wer hat überhaupt eine Blechkanne? Spielt das Ganze im Jahr 1678 auf einem Hof... und jetzt wird es besonders absurd... irgendein Auge kreist um eine Plastikblume und das soll irgendeinen Brunnen heilig machen.
 
Der erste Satz ist grammatikalisch fragwürdig
Nö. Lies ihn mal im Fließtext.

„nicht mehr in diesem Leben dem Engel am Eisentor in die Augen sehen"

(Oder ergänze ihn am Anfang mit „Du wirst". Ist aber eigentlich nicht nötig.)

Grammatikalisch richtig.

Mir fällt gerade die erste Zeile des Liedes „Am Fenster" von City ein. Beginnt grammatikalisch genauso:

„Einmal wissen, dieses ist für immer." Der Satz steht also auch im Infinitiv.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das mit dem Ergänzen oder Umschreiben kann ich auch wieder streichen, weil es nicht nötig ist.
Habe das Beispiel aus dem Lied von City gerade noch dazu geschrieben. Ein Satz kann auch mit dem Infinitiv beginnen.
 

revilo

Mitglied
Der erste Satz ist grammatikalisch fragwürdig und auch inhaltlich unverständlich. Es scheint, als ob etwas nicht mehr in der Lage ist, einem Engel, der an einem Eisentor steht (vermutlich das Tor zum Himmel), in die Augen zu sehen. Aber der Engel schaut nur in sich selbst hinein? Dann geht der Engel weiter, bleibt stehen und niest. Dabei niest er auf "ihren" Mottenmantel. Plötzlich wird es also weiblich, in irgendeiner Weise auf den Tod zugehend. Eine sinnlose Metapher für was auch immer. Dann wollen plötzlich irgendwelche Beine nicht mehr stehen??? Und ohne (welchen Schaden) lässt sie (wieder diese Sie) eine Blechkanne zurück. Was soll diese Blechkanne jetzt wieder bedeuten? Wer hat überhaupt eine Blechkanne? Spielt das Ganze im Jahr 1678 auf einem Hof... und jetzt wird es besonders absurd... irgendein Auge kreist um eine Plastikblume und das soll irgendeinen Brunnen heilig machen.

grammatik????????...ach watt, datt interessiert doch keinen.........es lebe das auge der kreisenden plastikblumen........
 

wiesner

Mitglied
Hallo SilberneDelfine,

ich kann (und will) nicht in die laufende Diskussion einsteigen, da bestimmte Beiträge in meinen threads gefiltert und für mich unsichtbar bleiben.
Soviel ist aber herauszulesen: der verdeckte Infinitiv. Keine neue Sache hier, Bildungsferne ist irgendwann nicht mehr zu korrigieren.
Herzlichen Dank für Deinen Einsatz!

Danke auch an den unbekannten Redakteur für die Empfehlung; hat mich sehr überrascht!

Gruß
Béla
 

Rachel

Mitglied
Hei Béla, ich kann mir diesen Engel am Eisentor gut vorstellen, seinen ach so inwendigen Blick - "vorbei schaut er nur in sich hinein". Die kleine Enttäuschung, die man hat, weil er nie und niemals her sieht, nie die Lebenden/Trauernden direkt ansieht.

Narrativ sprechende Zutaten: Die schwergewichtige Blechkanne wird nicht vermisst, die Beine wollen eh nicht mehr, kein Schaden, zudem kreist das Auge ungießbare Plastikblumen.

Der Mottenmantel gehört für meine Lesart nicht nur den (oder einer) Verstorbenen, sondern genauso allen "aus-genossenen" Engeln, hatschiii, auf die so mancher inzwischen allergisch reagiert.

Geheiligt sei oder ist am Ende dennoch der Brunnen, die Herkunft, vielleicht die Eltern, auf jeden Fall das Leben selbst. :)

Ich mag es ganz klar. Und natürlich sehr gern gelesen.

Schöne Grüße, Rachel
 

sufnus

Mitglied
Hey!

Johnson & revilo haben sich ja bei Gedichten ziemlich mantrahaft in die Forderung nach inhaltlicher Verständlichkeit und den Gebrauch einer Standardgrammatik verbissen. Ich würde diese Haltung nicht als bildungsfern einschätzen, aber doch als ziemlich engstirnig.

Schon in den alten Barockgedichten begegnen uns grammatisch kühne Konstruktionen (auch nach damaligen Maßstäben) und Aussagen bar jeder Logik. Im Sturm und Drang löst sich das Sprachmaterial eh häufig völlig in ein Gestammel auf und für die so wohlgesetzte Weimarer Klassik hat der alte Goethe verkündet: "Je inkommensurabler und für den Verstand unfasslicher eine poetische Produktion, desto besser." Und auch wenn die bürgerliche Lyrik in der zweiten Hälfte des 19. Jh. häufig einem ideal der gedanklichen und sprachlichen Kohärenz folgte, so gibt es doch zahlreiche Ausreißer - prominentestes Beispiel vielleicht Friedrich Hebbel, der doch für seine (heute vielfach recht museal wirkende) Dramenkunst unter die "Realisten" einsortiert wird, in seinen Gedichten und Sentenzen aber, vermutlich mit großem Vergnügen, reichlich höheren (?) Unsinn verzapft hat ("lieber ein eckiges Etwas, als ein rundes Nichts").

Mit einem Wort: Obskurität und Unverständlichkeit sind schon immer ein Lieblingsthema in der Lyrik - nicht erst seit der literarischen "Moderne" (die heuer auch so langsam auf ihren 150. Geburtstag zugeht - wenns reicht). Wer diesen Aspekt von Lyrik ausblendet, der hat von selbiger schlicht & einfach keine Ahnung.

Und um auf Dein Gedicht konkret einzugehen, lieber Béla, das ist zunächst einmal von einigen wenigen, etwas bildhaften Wendungen abgesehen, ziemlich klar und nachvollziehbar als Beschreibung eines Friedhofs zu lesen. Plastikgießkannen mögen da heutzutags üblicher sein, aber vermutlich finden sich in einigen altmodisch-dörflichen "Kirchhöfen" auch noch blecherne Exemplare. Und wie es sich für den kirchlichen Kontext gehört, ziert das Eingangstor zu diesem stillen Ort ein Engel.
Natürlich gibt es dann - ein bisschen nach Art einer Collage - in den Text einmontierte Bilder, die zwar zum Memento Mori-Gestus passen, aber eher an Haushaltsauflösungen erinnern (der Mottenmantel), aber grundsätzlich ist das Gedicht nicht besonders hermetisch oder sperrig.

Ein schönes und inniges Sonett, das einen nicht allzu "lauten" Ton doch mit einer nachhallenden Eindringlichkeit zu verbinden weiß. :)
Sehr verdiente Leseempfehlung von Redaktionsseite! :)

LG!

S.
 

wiesner

Mitglied
Liebe Rachel, lieber sufnus,

ich danke Euch für die ebenso persönlichen wie instruktiven Anmerkungen! Wenn man's kann - wie einfach doch manches zu lesen ist, um sein Eigenes erweiternd und humorvoll ("hatschiii") anzuhängen. So macht's Freude!

Schöne Grüße
Béla
 



 
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