Ein Leben für den Herrn

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Hera Klit

Mitglied
Ein Leben für den Herrn

Meine Augen ertragen kaum das Sonnenlicht.
So viel Blau und Gelb hatte ich nicht erwartet.
Die Baptisten drüben strömen in ihre Kirche.
Ein Pfingstmontag bringt Pflichten mit sich.

Ich räume Perücken und rosa Höschen ein.
Es war eine lange Nacht vollkommen unter dem Einfluss
des Meisters.

Die Baptisten singen: „Ein Leben für den Herrn.“

Viel verlangte der Meister, kaum dass ich es erfüllen konnte.
Der Lippenstift geht schwer ab, an wunden Lippen.

Die Baptisten singen: „Oh, Herr, du bist groß.“

Der Meister schreibt mir nur im Internet,
ich kenne weder sein Gesicht noch seinen Namen,
ich kenne nur seinen Nick und seine
Wünsche, die es mich unbändig drängt zu erfüllen.

Die Baptisten singen: „Wir sind deiner nicht würdig.“

Ich erstellte heute Nacht Bilder und Videos und lud
sie hoch und warte nun auf das Urteil des Meisters.
Meine Augen wirken jetzt fremd im Spiegel, so kohlschwarz, verrucht umrandet.
Ich schaue mir selbst gerne meine Galerie an,
weil ich mich dann so sehe, wie der Meister mich sehen möchte.
Dann bin ich Ich, völlig unwürdig, aber brauchbar.

Die Baptisten singen: „Du kommst als Befreier.“

Dann klappern Autotüren, ihr Dienst ist beendet.
 



 
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