Barbarische Zeiten (Ein erzählendes Online-Gedicht aus 2024)

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7 Tage die Woche
12 Stunden am Tag
4 Euro pro Stunde:
Deal?
Minus Kost und Logis, versteht sich
Und Papiere/Stempel/Sonstiges


Aus Indien war er gekommen
Nach Bella Italia (#Fernreise)
Um dieser Ernte zu helfen
Immer nur helfen und
Pflücken-bücken-buckeln
Fleißschweiß vom Leistungstragen
Schwer tragen, schleppen!
Noch im Traum
Hörte er:
Die!
Motoren!
rattattattattern

Man weiß nicht, was er sich dachte im Kopf
- Er, der Produktionsfaktor -
Als sein Arm in der Maschine verschwand
Plötzlich
- Der Produktionsfaktor ist defekt -
Man weiß nicht, was er gesagt hat oder geschrien
Als ihn die #Sklavenhalter
*wie Müll*
vor seiner Schlafstatt abluden
(Ich glaube, ‚Wohnung‘ kann man nicht sagen)
Man weiß nicht, wie lange er da lag
Vor dem Loch, in das man ihn normal zum Schlafen schickte
Mit diesem Blutstumpf, der normal sein Arm gewesen war

Der Polizeisprecher sagte:
Freunde des Mannes hätten nach dem
*Vorfall*
eine Rettung verständigt
- Der Produktionsfaktor hatte Freunde, soso -
Extra kam doch noch ein Hubschrauber angeflogen
- KOSTENFAKTOR! -
Im Hospital auf weißen Tüchern durfte er sterben
Nicht im Dreck vor der Baracke

Vielleicht wird man die Familie anschreiben
(Vielleicht auch nicht)
Aber immerhin hat der Mann eine Maschine lahmgelegt, die ihm nicht gehört!
Dafür muss jemand bezahlen
In barbarischen Zeiten ein ganz üblicher Tag
...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
M O D E R A T I O N
Die Links habe ich entfernt. Sollte dazu inhaltlich diskutiert werden sollen, dann bitte im FL.

cu
lap
 
Hallo lapismont!

Das wusste ich nicht, dass das Anhängen von Links im Lyrik-Forum nicht gestattet ist (zumal es sich um einen „seriösen“ Link von einem sogenannten Leitmedium handelt, um den öffentlich-rechtlichen ORF).
Ich hoffe, dass es die Leser auch ohne die verlinkten Artikel durchblicken, in welch barbarischen Zeiten wir leben und verstehen, worauf (auf welch grausame Wirklichkeit) sich das Gedicht bezieht.
Nicht umsonst habe ich im Original-Titel die Formulierung „mit angehängtem Link, weil es sonst keiner glaubt“ beigefügt.

Für die Leser als Information – so viel sei mir gestattet:
Das Gedicht bezieht sich auf eine Nachrichtenmeldung der letzten Wochen.
„Ein Arbeitgeber hat in Italien einen indischen Erntehelfer nach einem Arbeitsunfall mit abgeschnittenem Arm ohne Hilfe zurückgelassen. Der Landarbeiter sei seinen schweren Verletzungen erlegen…“ heißt es ebenda.
Und:
„Statt Erste Hilfe zu leisten und einen Krankenwagen zu rufen, habe das Unternehmen den Verletzten ‚wie einen Sack Müll nahe seiner Wohnung abgeladen‘“.
Findet man mit Suchmaschinen à la Google oder DuckDuckGo ganz leicht, wenn man etwa „Erntehelfer mit abgeschnittenem Arm zurückgelassen“ eingibt.

Rundumgrüße,

Erdling
 



 
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